10. Mai 2016

Veranstaltungsbericht: „Ist das Klima noch zu retten?“



Der Klimawandel stellt eine der großen Herausforderungen unserer Zeit dar. Bereits heute sind seine Auswirkungen weltweit zu spüren: Naturkatastrophen, Hungersnöte und der ansteigende Meeresspiegel. Auch im gemäßigten Sachsen hinterlässt der Klimawandel Spuren: 2015 war das wärmste Jahr seit den Wetteraufzeichnungen.

Im Dezember 2015 fanden sich Repräsentant*innenen von 196 Staaten in Paris zur Weltklimakonferenz COP21 zusammen, um über ein gemeinschaftliches Vorgehen gegen die fortschreitende globale Erwärmung zu beraten. Sie fassten einen folgenschweren Beschluss: Die globale Erwärmung soll auf maximal 1,5°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt und das Ausmaß des Klimawandels so eingedämmt werden. Dieses Ziel, festgeschrieben in einem verbindlichen völkerrechtlichen Vertrag, ist wegweisend nicht nur für die Energiepolitik, sondern für alle Bereiche unseres Lebens. Doch was bedeutet das konkret?

Mit dieser Frage beschäftigte sich die öffentliche Podiumsveranstaltung „Ist das Klima noch zu retten?“, die am 10. Mai im Bürgerbüro „GRÜNE ECKE“ Dresden stattfand. Gemeinsam mit vielen interessierten jungen Menschen aus der Region diskutierten wir über die nötigen Maßnahmen, die zu ergreifen sind, um die Klimaschutzziele zu erreichen, und den Beitrag, den Sachsen dazu leisten muss. Als Diskutant*innen im Podium waren Dr. Gerd Lippold, Energie- und Klimaschutzpolitischer Sprecher der GRÜNEN Fraktion im Sächsischen Landtag, Jens Bitzka, Vorsitzender des GRÜNEN Kreisverbandes Bautzen, und Freia Then, Bundesschatzmeisterin der GRÜNEN JUGEND, mit dabei.

Zu Beginn erläuterte Gerd Lippold in einem kurzen Impuls-Referat aus wissenschaftlicher und politischer Perspektive, wie das berühmte 2,0°C-Ziel entstand und weshalb daraus zuletzt das 1,5°C-Ziel wurde. Inst wurde von Wissenschaftlern ermittelt, wie weit sich das Klima weltweit maximal erwärmen darf, bevor wir diesen Prozess nicht mehr aufhalten können. Das 2,0°C-Ziel stellt praktisch den „Point of no return“ dar. Doch schon bald wurde klar, dass dieses Ziel nicht ausreicht. Schaffen wir es nicht, die globale Erwärmung auf weit unter 2,0°C zu begrenzen, bedeutet das für vieleInselstaaten und tiefgelegene Regionen der Welt den sicheren Untergang. Schon bald könnten ganze Länder im Meer verschwinden und viele millionen Menschen müssten ihre Heimat für immer verlassen. Das 1,5°C-Ziel ist die letzte Hoffnung, dies zu verhindern. Doch der Klimawandel ist schon weit fortgeschritten. Tatsächlich hat sich unser Klima bereits um fast 1,5°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erhöht und bereits in der Atmosphäre angereicherte CO² reicht aus, um die globale Erwärmung noch bis über die 2°C-Marke hinaus foranzutreiben.

Doch was konkret müssen wir tun, um diese Entwicklung aufzuhalten? Dr. Gerd Lippold erläuterte die Notwendigkeit, Prioritäten zu setzen: „Wir müssen die niedrig hängenden Früchte zuerst ernten, das bedeutet einen Ausstieg aus der Braunkohle in spätestens 20 Jahren. Dann haben wir mehr Zeit für die schwierigeren Aufgaben: Verkehr, Landwirtschaft und Industrie“. Das einige Vertreter von Wirtschaft und Gewerkschaften meinen, das klimaabkommen bedeute nichts, kann Lippold nicht verstehen. Zukunftsvergessen beschreibt dieses Verhalten am besten. Kohle hat keine Zukunft. „Wir müssen Vattenfall und Co. klar machen: Entweder machen wir die Energiewende mit euch oder gegen euch. Aber die Energiewende wird kommen!“

Sachsen produziert pro Jahr sehr viel mehr Strom aus Kohle, als insgesamt Strom in Sachsen verbraucht wird. Die Staatsregierung inszeniert dennoch eine Abhängigkeit des Freistaates von dem „heimischen Energieträger“. Die Versorgungssicherheit Sachsens und die Zukunft der Lausitz hängen angeblich davon ab.

Doch in der Lausitz hat man sich längst Gedanken über das Ende der Kohle gemacht. Das Zauberwort heißt Strukturwandel. Als GRÜNER aus der Braunkohleregion hat Jens Bitzka am Strukturwandel-Konzept der Partei mitgewirkt. Er weiß, dass viele Menschen in der Lausitz bereits verstanden haben, dass die Kohleindustrie keine Zukunft haben kann. Nun ist es wichtig, Perspektiven für diese Menschen zu schaffen. Früher war die Lausitz mal Standort vieler wichtiger Industrien: Glas, Mikroelektronik und vieles mehr. Heute arbeiten immer mehr menschen im Bereich der erneuerbaren Energien und beispielsweise im Bereich Fahrzeugbau für den ÖPNV.

So kommt es auch, dass die Anto-Braunkohle-Bewegung in der Region an Zustimmung gewonnen hat. Früher, so berichtet Bitzka, wurde man als GRÜNER noch für verrückt erklärt. Heute stellen sich immer mehr Menschen aus der Region der systematischen Zerstörung ihrer Heimat in den Weg.

Für Freia Then ist besonders zivilgesellschaftliches Engagement und Eigeninitiative erforderlich. Lange fehlte es an einer europäischen Zivilgesellschaft, jetzt jedoch entstehen grenzüberschreitende Netzwerke und Aktionsbündnisse. COP21 hat gezeigt: Eine immer größer werdende Zahl von menschen aus der ganzen Welt hat die Möglichkeit, Druck auf politische Entscheidungsträger auszuüben, um so Ziele zu erreichen.

Zudem ist es nötig, dass wir immer wieder unser eigenes Konsumverhalten hinterfragen. Der Klimawandel wird auch durch das kapitalistische System begünstigt. Die Menschen müssen beginnen, über die Folgen ihres Handelns für das Klima nachzudenken. Dieses Umdenken, von einer Massenproduktions- und Wegwerfgesellschaft hin zu einer ökologischen und sozialen Wirtschaftspolitik, anzustoßen, muss eine Aufgabe der GRÜNEN sein.

Klimaschutz ist nicht nur ein Thema der Bundespolitik, sondern kann und muss auch von den Menschen vor Ort in den Städten und auf dem Land mitgestaltet und vorangetrieben werden. „Think global – Act lokal!“ lautet die Devise! Die Zukunft kommender Generationen hängt entscheidend vom Erfolg des Pariser Klimaabkommens ab. Die Vorgaben umzusetzen, wird nicht leicht. Doch im Angesicht der Bedrohung durch den Klimawandel können wir uns nicht zurücklehnen und abwarten, was passiert. Um das 1,5°C-Ziel erreichen zu können, müssen wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen!

Um dies zu untermauern, trugen wir unseren Protest schließlich auch auf die Straße. Gemeinsam mit Greenpeace veranstalteten wir auf dem Bischofsplatz unmittelbar vor der GRÜNEN ECKE eine Kundgebung für Klimaschutz und Kohleausstieg. Alsbald ergriff Gerd Lippold noch einmal das Wort für einen Redebeitrag. Er bekräftigte seine Unterstützung für den Protest gegen den Braunkohleabbau in der Lausitz. Zu den geplanten Aktionen zur Stilllegung des Tagebaus Welzow durch Anwendung zivilen ungehorsams erklärte er: „Es ist richtig und wichtig was ihr tut! Es ist wichtig zu zeigen, dass es ein Investitionsrisiko gibt und das ihr dieses Investitionsrisiko seid!“ zugleich rief er zu Besonnenheit und Gewaltlosigkeit auf.



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