Kohleausstieg 2030 – auch im Lausitzer Revier!
Beschluss der 1. Landesmitgliederversammlung 2023
29.04.2023 | Chemnitz
Mit Lützerath fiel die symbolische 1,5 Grad-Grenze. Die Klimabewegung kämpfte
bis zum Schluss um den Erhalt der letzten Höfe am Rand von Garzweiler II. Was
blieb war ein fragwürdiger Kohle-Kompromiss, der den Kohleausstieg in NRW auf
2030 vorziehen und mehrere Dörfer vor dem vermeintlichen Abriss retten konnte.
Gleichzeitig ebnete er jedoch auch den Weg für die Förderung und Verbrennung von
weiteren 110 Millionen Tonnen Kohle, die nach Untersuchungen der Aurora Energy
Research und CoalExit Research Group für eine gelingende Energiewende nicht
benötigt werden.
Auch nach Lützerath bleibt der Kampf gegen jedes Zehntel-Grad Erderhitzung
immens wichtig. Im Mitteldeutschen sowie im Lausitzer Revier ist ein vorzeitiger
Ausstieg aus der Kohle derzeit nicht absehbar. Insbesondere in der
strukturschwachen Lausitz leben immer noch viele Menschen von der Kohle.
Gleichwohl widersprechen wir dem Narrativ, dass diese gut qualifizierten
Arbeiter*innen keine hochwertigen beruflichen Alternativen hätten.
Die durch den Bund bewilligten Gelder für den Lausitzer Strukturwandel richten
sich an dem Ausstiegsszenario bis zum Jahr 2038 aus. Eine Beschleunigung dieses
Strukturwandelprozesses ist nicht nur mit bürokratischen Hürden verbunden; ihr
stehen auch Zweifel und Unmut von großen Teilen der lokalen Bevölkerung
entgegen, die historisch und wirtschaftlich mit den fossilen Rohstoffen in der
Region gewachsen ist. Dies liegt unter anderem daran, dass im
Beteiligungsprozess zur Vergabe der Mittel die Bevölkerung der hauptsächlich
betroffenen Kommunen nicht oder nur sehr unzureichend beteiligt wurden. Wir
fordern daher, dass im Rahmen der notwendigen Gesetzesänderungen auch
demokratische und transparente Beeiligungsprozesse verpflichtend etabliert
werden.
Ausgerechnet im Lausitzer Revier befindet sich das letzte Dorf, welches der
Kohle in Deutschland weichen soll. Ein breites Bündnis der Klimabewegung setzt
sich seit Jahren für den Erhalt der sorbischen Ortschaft Miłoraz / Mühlrose und
umliegender Natur ein. Von dem beschaulichen Dorf, das zu DDR-Zeiten bis zu 700
Einwohner:innen zählte, sind inzwischen nur noch wenige Häuser übrig. Bereits
2019 unterzeichnete der damalige Bürgermeister der Gemeinde im Beisein des
Vorstandsvorsitzenden der LEAG und des sächsischen Ministerpräsidenten Michael
Kretschmer einen Umsiedlungsvertrag, welcher die Umquartierung der Bevölkerung
von Miłoraz/ Mühlrose festschreibt. Die überwiegende Mehrheit der
Dorfgemeinschaft begrüßte diesen Schritt, der für sie auch mit
Planungssicherheit und der Bereitstellung eines neuen Wohnortes in der modernen
und eigens zu diesem Zweck errichteten Neubausiedlung Neu-Schleife einherging.
Abseits des Umsiedlungsvertrages verfügt die LEAG seither über keinerlei
rechtliche Grundlagen, die betreffende Fläche um Miłoraz / Mühlrose herum
bergbaulich zu nutzen. Der Energiekonzern spekuliert auf die Nutzung des
ehemaligen Dorfgebietes, stellt auch die Errichtung eines Solar- oder Windparks
in Aussicht. Dafür weichen das Dorf, seine Bewohner:innen und Teile der ohnehin
bedrohten sorbischen Kultur. Einige wenige Anwohner:innen wehren sich bis heute
vehement gegen die Umsiedlung und solidarisieren sich mit der Klimabewegung,
sehen sich vor Ort jedoch als maginalisierte Minderheit.
Als Grüne Jugend agieren wir in einem Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach dem
guten Leben für alle und harten sächsischen Realitäten. Der Kohleausstieg muss
frühstmöglich bewältigt und dabei sozial gerecht gestaltet werden. Regionen
dürfen nicht hinten runterfallen. Unterschiedliche Meinungen und Perspektiven
verdienen im Streit um eine lebenswerte Zukunft gleichermaßen Gehör und müssen
friedlich nebeneinander existieren können. Diesen Maßstab setzen wir in den
folgenden Positionierungen und Forderungen an.
- Die Grüne Jugend Sachsen erachtet den bundesweiten Kohleausstieg 2030 als
notwendige Maßnahme zur Einhaltung der deutschen und internationalen
Klimaziele. Dieser muss an eine Restfördermenge von nicht mehr als 205
Millionen Tonnen Braunkohle gekoppelt sein, mit der Deutschland seine
völkerrechtliche Verpflichtung – die Einhaltung eines deutschen
Emissionsbudgets gemäß des Pariser Klimaabkommens – erfüllen kann. Die
Auslastung der Kohlekraftwerke muss ab sofort jährlich um 25% gedrosselt
werden.Der schnelle Umstieg auf erneuerbare Energien ist unabdingbar für
den Erhalt intakter Klimasysteme und somit unserer Lebensgrundlagen.
- Wir rufen das Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr,
vertreten durch den Staatsminister Martin Dulig, dazu auf, der Nutzung des
Sonderfeldes Mühlrose zum Zweck der Braunkohleförderung durch die LEAG
nicht stattzugeben. Die gestiegenen Emissionen des Energiesektors im Jahr
2022 sowie die Studienlage zur Versorgungssicherheit sprechen klar gegen
die Erschließung weiterer Fördergebiete, welche das Erreichen der
Klimaziele gefährdet.
- Wir appellieren an den Sächsischen Landesverband von Bündnis90/Die Grünen
als Koalitionspartei der Sächsischen Landesregierung und die Mitglieder
der BÜNDNISGRÜNEN-Fraktion, im Austausch mit dem Bundesministerium für
Wirtschaft und Klimaschutz, der LEAG und den Menschen in der Lausitz
Perspektiven für einen vorgezogenen Kohleausstieg in Sachsen zu
entwickeln.
- Der Strukturwandel im Lausitzer Revier ist eine länderübergreifende
Aufgabe. Regionale Programme, die einen Ausstiegspfad bis zum Jahr 2038
fokussieren, bedürfen einer grundsätzlichen Erneuerung. Strukturhilfen
müssen der Bevölkerung vor Ort zu Gute kommen und nachhaltig Arbeitsplätze
und Lebensqualität sichern. Genauso müssen die Menschen in der Region in
Entscheidungen über die Vergabe von Geldern miteinbezogen werden.
- Die in Miłoraz/ Mühlrose verbliebenen Menschen sind Bedrohungen, Hass und
Einschüchterung ausgesetzt. Es ist Aufgabe der Polizei, die Sicherheit der
Anwohner:innen und ein friedliches Leben vor Ort zu gewährleisten. Genauso
muss die Polizei das Recht auf Versammlung im öffentlichen Raum wahren.
Gewalt gegen Klimaaktivisti seitens rechtsextremer Akteure sowie
Repressionen seitens der Polizei sind nicht akzeptabel und müssen
schnellstmöglich aufgeklärt werden.
- Wir fordern die Bundesregierung auf, schnellstmöglich einen Entwurf zur
Aktualisierung des Bundesberggesetzes vorzulegen, der sich an den
Notwendigkeiten des Natur- und Klimaschutzes sowie den Grundlagen modernen
Planungsrechtes orientiert.
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