28. Juli 2008

Ausbildung fair gestalten



Beschlossen auf der Landesmitgliederversammlung in Görlitz am 15. Juni 2008:

Ausbildung für alle ist möglich – wenn alle mitmachen.

Jedes Jahr wartet die Bundesagentur für Arbeit mit neuen Zahlen und Horrormeldungen auf, die zeigen: einen Ausbildungsplatz zu bekommen wird für Jugendliche in Ostdeutschland immer unwahrscheinlicher (Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit vom April 2008 sind zu diesem Zeitpunkt 64 000 junge Menschen in Ostdeutschland ohne Ausbildungsplatz. Unter diesen vielen jungen Leuten ohne Ausbildungsplatz werden wieder sehr viele so genannte AltbewerberInnen sein, ca. 25% davon sind Jugendliche, die sich schon seit einem oder mehreren Jahren erfolglos um einen Ausbildungsplatz bewerben. (Zahlen der Bundesagentur für Arbeit April 08)). Wenn die Jugendlichen endlich einen Ausbildungsplatz ergattert haben, werden sie zudem zum Teil schlecht bezahlt und ausgenutzt.

Wirtschaft und Politik bekleckern sich dabei nicht unbedingt mit Ruhm. Die Wirtschaft moniert, die SchülerInnen seien nicht ausbildbar. Die Politik beklagt das mangelnde Engagement der Wirtschaft, vereinbart aber gleichzeitig keine Ausbildungsabgabe, sondern lediglich eine freiwillige Ausbildungsvereinbarung mit den Unternehmen.

Die (Aus)Bildungspolitik der Landesregierung

Eine ganzheitliche Bildung für alle forderte vor rund 400 Jahren der Pädagoge Johann Comenius. Die sächsische Landesregierung benannte das Institut zur Erarbeitung von Lehrplänen nach dem bedeutendsten Pädagogen des 17. Jahrhunderts. Doch mehr als den Namen Comenius‘ findet mensch in der sächsischen Bildungspolitik nicht. Das dreigliedrige Schulsystem Sachsens selektiert bereits nach der vierten Klasse und strukturiert den SchülerInnen so die Zukunft vor.

Nicht erst seit PISA ist bekannt, dass die frühe Selektion schädlich für den Bildungserfolg von Kindern ist. Zudem weisen PsychologInnen immer wieder darauf hin, dass in diesem frühen Alter nicht zuverlässig diagnostiziert werden kann, welche Talente und Fähigkeiten die Kinder haben. Die Grüne Jugend Sachsen fordert die CDU/SPD-Landesregierung auf, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in aktive Politik umzusetzen und Konzepte der Gemeinschaftsschulen Wirklichkeit werden zu lassen.

Die sächsische Landesregierung hat ihre Hausaufgaben aber auch im Bereich der Ausbildungspolitik nicht gemacht. Zu Beginn der neunziger Jahre hat es die Landesregierung nicht geschafft, genügend Ausbildungsplätze an staatlichen Berufsschulen für bestimmte Berufe (PhysiotherapeutIn, ErgotherapeutIn etc.) zu schaffen. Diese Berufe werden heute nur noch an privaten Schulen gelehrt, in sehr unterschiedlicher Qualität zu teilweise hohen Schulgebühren.

Im letzten Jahr hat die Landesregierung dann zu einem Rundumschlag gegen alle privaten Schulen ausgeholt und die jährlichen Zuschüsse massiv gesenkt.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass in Sachsen in einem oder zwei Jahren Berufe wie PhysiotherapeutIn und ErgotherapeutIn nicht mehr ausgebildet werden können, wenn die Landesregierung ihre Fehler nicht endlich einsieht und handelt.

Die Grüne Jugend Sachsen fordert daher die staatliche Unterstützung der Privatschulen und die Einführung einheitlicher Qualitätsstandards für alle Ausbildungsberufe. Es kann nicht sein, dass SchülerInnen Schulgeld für eine Ausbildung zahlen, für die eigentlich Staat und Wirtschaft zuständig wären.

Die Wirtschaft in die Verantwortung nehmen

Noch vor 10 Jahren bekam fast jedeR HauptschülerIn einen Ausbildungsplatz, konnte fehlende gute Noten durch hohen Einsatz in der Ausbildung wettmachen. Das Bildungsniveau der SchulabgängerInnen ist über die letzten Jahre nicht gesunken. Viel eher ist die Wirtschaft wählerischer geworden, besetzt inzwischen auch Ausbildungsplätze für HauptschülerInnen mit AbiturientInnen. Die Konkurrenzsituation von MittelschülerInnen und AbiturientInnen würde durch die von der CDU geforderten Studiengebühren noch verschärft.

Besonders für die SchülerInnen an den Mittelschulen sinkt die Chance auf einen Ausbildungsplatz, und so auch die Motivation, sich in den Schulen zu engagieren. Dabei absolvieren die MittelschülerInnen im Laufe ihrer Schulzeit mindestens zwei Berufspraktika, gehen zur Berufsberatung und üben im Deutschunterricht das Bewerbungsschreiben.

Die GRÜNE JUGEND SACHSEN fordert daher: die Wirtschaft kann sich nicht einfach aus der Ausbildungsaffäre ziehen. Wer gut ausgebildete ArbeitnehmerInnen einstellen will, darf nicht alles dem Staat überlassen, sondern muss selbst aktiv werden – und Ausbildungsplätze anbieten.

Eine gute Ausbildung braucht Sicherheit und Mitbestimmung Bei Unternehmenspleiten muss von den Kammern (Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, usw.) sichergestellt werden, dass die Auszubildenden innerhalb einer angemessenen Frist bei anderen Ausbildungsbetrieben ihre Ausbildung fortsetzen können.

Gleiches muss gelten, wenn die Ausbildungsbetriebe nachweislich grob gegen Ausbildungsvorschriften verstoßen und die Auszubildenden daraufhin entscheiden, die Ausbildung nicht mehr in diesem Betrieb fortsetzen zu wollen.

Um solche Verstöße aufzudecken bzw. diese idealerweise im Vorfeld zu vermeiden, ist es notwendig, die Jugend- und Auszubildendenvertretungen zu stärken. Diese müssen vollwertige und stimmberechtigte Mitglieder der Betriebsräte werden.

Mobilität nicht nur fordern, sondern auch fördern

Von den Jugendlichen wird Flexibilität und Mobilität verlangt. Die Rahmenbedingungen dafür fehlen dagegen häufig. Es darf nicht sein, dass Auszubildende einen Großteil der Ausbildungsvergütung in Fahrtkosten investieren müssen – weil entweder öffentlich geförderte Azubi-Tickets fehlen oder überhaupt kein zumutbarer ÖPNV zur Verfügung steht und somit billige CO2-Schleudern oft die Alternative darstellen.

Der öffentliche Personennahverkehr muss ausgebaut und für Alle kostenlos werden!

Die Ausbildungsumlage

Die GRÜNE JUGEND SACHSEN unterstützt daher eine Ausbildungsplatzabgabe nach folgendem Modell. Zuerst wird pro Jahr festgestellt, wie viele Lehrstellen benötigt werden. Dann wird jedem Unternehmen eine betriebsbezogene Quote zugeteilt, also eine Anzahl von Lehrlingen, die ausgebildet werden müssen. Um Wahlfreiheit für BewerberInnen zu ermöglichen, ist ein Überangebot von Ausbildungsplätzen auf die BewerberInnenzahl anzusetzen.

Werden zu wenige Lehrlinge ausgebildet, muss pro fehlenden Platz eine Abgabe gezahlt werden. Diese Abgabe wird nach Betriebsgröße, Umsatz und Gewinn des betreffenden Unternehmens gestaffelt, so müssen große Kapitalgesellschaften mehr pro nicht besetztem Ausbildungsplatz zahlen als z.B. kleine Familienunternehmen. Diese Abgabe kommt wiederum jenen Betrieben zugute, die mehr ausbilden, als sie müssten.



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