14. April 2012

Kaufen für die Müllhalde? Nicht mit uns! – geplanter Obsoleszenz entgegenwirken



Kaufen für die Müllhalde? Nicht mit uns! – geplanter Obsoleszenz entgegenwirken

Einführung:
Wenn der Drucker seltsame Fehlermeldungen herausgibt, zu denen in der Anleitung keine Anmerkung zu finden ist, und das auch noch als gerade die Gewährleistungszeit abgelaufen ist, dann ist dies meist kein Zufall. Viele Produkte, wie zum Beispiel Drucker, Glühbirnen, Akkus, Waschmaschinen werden so hergestellt, dass sie möglichst bald nach der Gewährleistungszeit kaputt gehen. Wendet man sich an die entsprechende Firma wegen einer Reparatur, empfiehlt diese, sich doch lieber ein neues Gerät zu kaufen, da die Reparatur zu teuer sei. Diese Firmenpolitik heißt „Geplante Obsoleszenz“.

Geschichte:
2001 wurde in der Stadt Livermore in den USA der 100-jährige Geburtstag einer Glühbirne gefeiert; das sind 876.000 Stunden durchgehende Brenndauer. Heutige Glühbirnen brennen gerade einmal 1000-2000Stunden. Dies ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass die
Glühbirnenhersteller_innen offensichtlich nicht bereit sind, die Lebensdauer bedeutend zu erhöhen. Im Jahre 1924 einigte sich ein Kartell (das Phöbuskartell) darauf, dass alle Mitglieder auf eben diese Brenndauer hinarbeiten sollen. Wessen Glühlampen bedeutend länger brannten, der musste empfindliche Strafen zahlen. Man geht also davon aus, dass die geplante Obsoleszenz im großen Stil in den 1920-Jahren entwickelt wurde, auch wenn es schon Nachweise aus dem Jahr 1840 für geplante Obsoleszenz im Schiffsbau gibt.

Bedeutung für unsere Wirtschaft:
Von der geplanten Obsoleszenz gehen für die Wirtschaft Verlockungen aus. Nicht nur dass sie den Konsum ankurbelt, es festigen sich somit die kapitalistischen Strukturen, was im eindeutigen Interesse der Vertreter_innen der Obsoleszenz steht. Wir wehren uns gegen die Idee, dass alleinig im quantitativen Wachstum – im immer mehr Produzieren – das Wohl der deutschen und globalen Wirtschaft zu finden sei. Besonders kritisieren wir dass es als „natürlich“ in politische Diskussionen und den Alltag der Menschen eingeführt wurde und sich schließlich etablierte. Die Akteur_innen dahinter verstecken sich hinter der Erklärung, dass nur mit weiterem Wirtschaftswachstum, dass auf unserer Wegwerfgesellschaft beruht, der Erhalt von Arbeitsplätzen möglich wäre. Bei genauerer Betrachtung muss sich dies als Täuschung erweisen. Neue Arbeitsplätze müssen im Bereich Recycling und in der Entwicklung von langlebigeren Produkten zwangsweise geschaffen werden.

Folgen:
Unsere Erde hat nur begrenzte Ressourcen und diese verknappen sich zunehmend. Gerade seltene Erden (Rohstoffe), die fast nur in China zu finden sind und in fast allen Elektroprodukten in kleinen Mengen stecken, verknappen sich auf dem Weltmarkt. Die Recyclingquote dieser seltenen Erden liegt in der EU jedoch nur bei ca. 10%. Es ist klar, dass wir nicht ewig in einer Gesellschaft leben können, die Güter für die Müllhalde produziert. Aber nicht nur das ist ein großes Problem. 75% des Elektroschrotts auf der Welt werden illegal in die Länder des Globalen Südens transportiert. Dort zerstört er die Landschaft, verpestet die Umwelt und schadet der menschlichen Gesundheit ungemein. Schrottsammler verbrennen alte Fernseher, Computer, Kabel, etc. unter freiem Himmel und ohne jegliche Sicherheitsvorrichtungen, um an eventuell wiederverwendbares Altmetall zu kommen, dass sie dann verkaufen können – unter ihnen sind häufig auch Kinder. Die Dämpfe schaden nicht nur der Umwelt, sondern enthalten außerdem auch giftige und krebserregende Stoffe. Kontrollen bei der Ausfuhr von sogenannter „Gebrauchtware“ sind oft nicht erfolgreich, auch weil es keine klaren Richtlinien dafür gibt, wann ein Gegenstand in Wirklichkeit Schrott ist. Afrika und Südostasien soll nicht weiter die Müllhalde der Welt sein!
Wir fordern daher:
• Entsorgung des Mülls nach dem Verursacher_innenprinzip und nach den Recycling und Umweltstandards des Landes in dem das Produkt konsumiert wurde
• Strikte Recyclingrichtlinien, um Ressourcen zu schonen und möglichst das Prinzip der Ökoeffektivität (cradle-to-cradle) zu erfüllen
• schärfere Kontrollen gegen illegale Ausfuhren von Elektroschrott
• klarere Richtlinien für die Einstufung als Schrotttransport
• Hilfe der betroffenen Länder bei der Entsorgung des schon vorhandenen Mülls

Möglichkeiten dagegen:
Wichtigstes Instrument gegen die geplante Obsoleszenz muss die Stärkung von Verbraucher_innenrechten sein. Bis jetzt gibt es nur eine Gewährleistungszeit von 2 Jahren, wobei allerdings schon nach einem halben Jahr der_die Verbraucher_in beweisen muss, dass der Fehler schon beim Kauf vorlag (Beweislastumkehr). Wir fordern deshalb die Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungszeit von Elektrowaren auf 5 Jahre und die Abschaffung der Beweislastumkehr. Die Gewährleistungszeit wurde 2002 auf 2 Jahre erhöht. Jetzt fast 10 Jahre später sollte die Technik so weit sein, dass man sie entsprechend verlängern kann. Außerdem fordern wir eine Aufwandsentschädigung bei Produktausfall innerhalb der Gewährleistungszeit. Desweiteren müssen Verbraucher_innen umfassend über die geplante Obsoleszenz informiert werden und welche Produkte davon betroffen sind. Das wäre zum Beispiel über eine Internetplattform, wie z.B. http://lebensmittelklarheit.de/, die vom Bundesverband der Verbraucherzentralen geführt wird, möglich. Dieses sollte allerdings im Gegensatz zu dieser Seite nicht nur auf Initiative der Verbraucher_innen reagieren. Außerdem muss die Reparatur von Geräten wieder einen größeren Stellenwert einnehmen. Dazu müssen Schaltpläne für Elektrogeräte wieder fester Bestandteil der Betriebsanleitung werden und Ersatzteile bezahlbar und verfügbar sein. Dazu fordern wir ein Gesetz, dass herstellende Firmen verpflichtet Ersatzteile höchstens zum halben Kaufpreis zu verkaufen und Reparaturen durchzuführen, die maximal die Hälfte des Kaufpreises kosten dürfen . Dadurch könnten wir den Verbraucher_innen die Macht zurückgeben durch ihr eigenes Handeln gegen die geplante Obsoleszenz vorzugehen. Auch braucht es gesetzliche Standardisierungen, wo sie sinnvoll sind, wie zum Beispiel von der EU bei Ladegeräten für Handys durchgesetzt, sollte dies auch für Laptopladegeräte gelten. Gerade für die Verhinderung des Ressourcenverbrauchs ist es jedoch von großer Bedeutung, dass wir in eine sogenannte „Post-Wachstums-Gesellschaft“ übergehen, die Schrumpfung vor allem im industriellen Bereich vorsieht. Wären Produkte länger haltbar und besser zu reparieren, würden wir automatisch weniger Ressourcen verbrauchen und unsere Gesellschaft weiter hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickeln, in der immaterielle Güter wie z.B. Bildung, Gesundheit, Kultur, etc. eine viel größere Rolle einnehmen. Wachstumszwang verleitet Unternehmen dazu, kurzlebige Produkte zu produzieren, da sie sich sonst selbst in ihren Verkaufszahlen beschneiden würden. Mit länger haltbaren Produkten würde die ressourcenintensive Produktion automatisch schrumpfen und im Gegenzug neue Arbeitsplätze im Recycling und der Entwicklung für haltbare Produkte entstehen. Natürlich ist es wichtig, dass diese Wirtschaftsschrumpfung (gemessen am Bruttoinlandsprodukt) nicht allein zu Verlust von Arbeitsplätzen führt, sondern eingebettet ist in ein Sozialsystem, das niemanden zurücklässt. Dennoch ist eine Wirtschaftsschrumpfung mit gleichzeitiger Umwandlung zugunsten einer Kreislaufwirtschaft für unsere Umwelt zumindest in Europa unverzichtbar. Die Ressourcenfrage beschränkt sich nicht allein auf die Materialfrage sondern auch auf die Energiefrage, um auch dort Druck für geringeren Ressourcenverbrauch aufzubauen, brauchen wir eine gesetzliche Top-Runner Regelung, die zu einem gewissen Zeitpunkt das effizienteste Produkt einer Produktkategorie ermittelt und dies zum Standard für alle Geräte macht die in der Zukunft (nach 5 Jahren) auf dem Markt kommen. Produkte die zu diesem Zeitpunkt diese Kriterien nicht
erfüllen, dürfen nicht mehr zugelassen werden. Die Forschung mit biologisch abbaubaren Materialien ist schon weit fortgeschritten und auch die Möglichkeit alte Dinge zu recyceln ist durchaus vorhanden. Unsere Bestrebungen sollten deshalb darauf hingehen, dass wir alle Produktionsverfahren mit abbaubaren oder recyclingfähigen Rohstoffen realisieren können. Wir als GRÜNE JUGEND Sachsen streben eine Wirtschaftsweise an, die auf dem Prinzip cradle-to-cradle (Wiege zur Wiege) beruht, in dem Produkte nicht am Ende als Müll enden, sondern so verwertbar sind, dass aus ihnen neues entstehen kann – eine Kreislaufwirtschaft.
Deshalb fordern wir:
• Verlängerung der Gewährleistungszeit auf 5 Jahre und Aufwandsentschädigung innerhalb dieser Zeit
• Information der Verbraucher_innen über geplante Obsoleszenz (z.B. über eine Internetplattform)
• Aufklärung in Form von Kampagnen im öffentlichen Raum
• Vorrang von Reparatur vor Neukauf
• Schaltpläne müssen wieder fester Bestandteil der Anleitung bei Elektroware werden
• Ersatzteile müssen bezahlbar und verfügbar sein (z.B. Ersatzteile dürfen nicht teurer sein, als das Doppelte des Produktionspreises)
• sozial verträgliche Wirtschaftsschrumpfung im industriellen Bereich
• Einführung eines Top-Runner Gesetzes
• Umstellung der Produktion auf abbaubare oder recyclingfähige Materialien mit zertifiziertem Standard



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