24. Januar 2016

Selbstbestimmung statt Sanktion



Beschluss der 1. Landesmitgliederversammlung 2016

24.01.2016 | Leipzig

 

Die GRÜNE JUGEND Sachsen fordert eine liberale und progressive Drogenpolitik für Sachsen.

Drogenpolitik ist ein urgrünes Thema und als emanzipatorische Bewegung hatten die Grünen auf diesem Gebiet schon immer einen freiheitlichen Ansatz. Auch auf Seiten des GRÜNE JUGEND Bundesverbands ist das Recht auf Rausch Teil des Selbstverständnisses. Da Drogen und Rausch – dazu gehören z. B. nicht nur Cannabis und Kokain, sondern auch Alkohol und Zigaretten – Bestandteil fast jeder Gesellschaft waren und sind, hat abhängig von den jeweiligen Sanktionsmechanismen, d. h. epochenspezifischen Verboten einzelner Substanzen, jede Gesellschaft ihre ganz eigene Drogenkultur ausgebildet. So unterlag die Kaffeebohne in früheren Jahrhunderten jahrelang einem Verbot – die Haschischzigarette gehörte zum guten Stil. Und was heute seine Kreise als „Crystal Meth“ zieht, hat eine ganz ähnliche Wirkung wie das millionenfach verschriebene Ritalin. Während der Konsum von Cannabis teilweise scharfen polizeilichen und gerichtlichen Sanktionen unterliegt, ist bei uns Alkohol die Droge Nummer eins, was gesellschaftliche Akzeptanz, aber auch gesundheitsschädliche Folgen angeht.

Ausgehend von der körperlichen Selbstbestimmung der Menschen möchten grüne drogenpolitische Konzepte seit jeher die Freiheit der Konsument_innen in den Mittelpunkt stellen. Das bedeutet gleichzeitig, dass über problematische Konsummuster aufgeklärt (Prävention) und diese nach Möglichkeit schadensminimierend („Safer Use“) begleitet werden – denn verbieten lassen sie sich ohnehin nicht.Uns als politische Akteurin geht es in puncto Drogenpolitik deshalb nicht um moralische Einlassungen und Vorschriften zur „Volksgesundheit“, sondern darum, den Menschen einen selbstbestimmten, also mündigen Konsum von Rauschmitteln zu ermöglichen.

Diese Überlegungen sind von einer Vielzahl aktueller Beobachtungen geleitet. Denn die bisherige Drogenpolitik hat lediglich eines vor Augen geführt: Die Prohibition, also die willkürliche strafrechtliche Sanktionierung von Drogenkonsum (Stichwort Cannabis und Alkohol), ist gescheitert. Unter allen Warenmärkten dieser Welt hat schließlich ein Markt noch immer am besten funktioniert: der Schwarzmarkt – mit allen nur erdenklichen negativen Konsequenzen. Drogenkonsum durch kriminalpolitische Intervention und juristische Strenge unterbinden zu können, ist eine Illusion, die in ihren nachteiligen Auswirkungen ihresgleichen sucht.

Obwohl z. B. der Konsum von Cannabis gesellschaftlich in nahezu jeglicher Hinsicht unproblematische Realität ist, beschneidet der Staat die Freiheit der Bürger_innen, verhindert mittels anmaßender moralischer Urteile über Drogenkonsum und Rausch einen mündigen und selbstbestimmten Konsum und verbraucht dabei Unmengen staatlicher Ressourcen. Dazu kommt, dass einer mehr oder weniger erfolgreichen Verdrängung herkömmlicher Drogen oft nur das vermehrte Aufkommen von in Laboren synthetisierten Substanzen folgt, die gesundheitlich nicht selten noch schädlicher sind.

Die Frage nach Sinn und Unsinn von Drogenprohibition hat zudem noch eine ganz andere, viel gravierendere Dimension: Wir Grüne setzen allerorten auf faire Produktion und bewussten Konsum. Mit der Repression gegen Drogenproduktion und -verkauf wird allerdings ein hoch rentabler (Schwarz-)Markt am Leben erhalten – nicht etwa bekämpft –, der von organisierter Kriminalität durchsetzt ist.

Das faire Koks gibt es deshalb nicht und auch beim intransparenten, weil illegalisierten Kauf von Cannabis weiß niemand, wer von ihrem oder seinem Geld profitiert. So werden Konsument_innen gezwungen mit ihrem Geld Geschäftspraktiken zu finanzieren, die oftmals wohl sehr zu Recht strafbewehrt sind. Vor allem die internationale Dimension ist hier entscheidend: Der Krieg gegen Drogen, der weiterhin unaufhaltsam einhergeht mit einem stabilen, hochprofitablen Absatzmarkt, hält waffenmächtige Organisationen aus, die weit davon entfernt sind, von einem ebenso waffenstarrenden Staat in Gestalt einer militarisierten Polizei in die Schranken verwiesen zu werden. Hier wird ein blutiger Krieg auf Kosten der Zivilbevölkerung geführt, der ganze Staaten in die Instabilität treibt und Gewalt zum Alltagsphänomen macht. Ganz unten stehen dabei auf beiden Seiten zivile Akteur_innen: Denn auch die Koka- und Opiumbauern sind, um ihre Familie zu ernähren, oftmals gezwungen, sich bei kriminellen Vereinigungen wie Drogenkartellen in Mexiko oder aber auch den Taliban in Afghanistan zu verdingen. So geraten sie in den Fokus der westlichen Drogenbekämpfung und werden am Ende angehalten ihre einzigen Einnahmequellen zu zerstören oder als erste verhaftet und verknackt, während sich die Hintermänner und -frauen vielfach einer Festnahme entziehen können. Auch hier gilt: Die Nachfrage schafft sich ein Angebot. Es ist Realität, dass diese psychoaktiven Substanzen bei uns konsumiert und nachgefragt werden, aber auch die Prohibition bei uns politisch gewollt ist. Damit tragen wir nicht nur Verantwortung für die Konsequenzen vor Ort, sondern auch für die blutigen Folgen in anderen Regionen der Welt. Plastisch ausgedrückt: Es ist unser Kokain, für das in Mexiko gemordet wird. Das zeigt auch, dass es letztlich eine möglichst breite internationale Herangehensweise braucht.

Und noch ein weiteres urgrünes Anliegen wird von der Thematik berührt: der Verbraucher*innenschutz. Gerade psychoaktiven und illegalisierten Substanzen werden zum Strecken oft sehr viel schädlichere Stoffe beigemischt, was die Konsument_innen nicht erwarten. Das sogenannte „Drug-Checking“ ist deswegen auch fernab von weitergehender Liberalisierung ein Muss für den aktiven Schutz von Drogenkonsument_innen. Hier muss es auch in Sachsen Angebote geben, auch wenn bundespolitisch kein Schwenk in der Drogenpolitik erfolgen sollte.

Durch das wohl als überholt anzusehende zweiseitige Schema, das Drogen in hart und weich einteilt, werden des Weiteren willkürliche Grenzen gezogen, die wissenschaftlich teilweise jeglicher Grundlage entbehren und ziemlich bigott sind – Alkohol müsste als besonders süchtig machende und gefährliche Droge ansonsten sehr weit oben auf einer schwarzen Liste stehen.

Die GRÜNE JUGEND Sachsen fordert deswegen ein radikales Umdenken in der Drogenpolitik. Dabei ist klar: weder soll Drogenkonsum idealisiert, noch soll er moralisch geächtet werden. Er ist in ganz unterschiedlichen Abstufungen eine Realität, die wir hinnehmen müssen und wollen. Die Entscheidung für oder gegen Rausch sollte der privaten, aber mündigen Entscheidung der Einzelnen überlassen sein; mit aktiver staatlicher Aufklärung und Hilfe, wo diese nötig ist. Nicht Repression und zum Teil aberwitzige Kriminalisierung kann über gesundheitsschädlichen Konsum hinweghelfen, sondern Information und aufklärende Suchtprävention ohne erhobenen Zeigefinger. Eine Drogenpolitik, die wirklich helfen will und die Realität – nicht ideologisch aufgeladene Wertevorstellungen der vermeintlichen Mehrheitsgesellschaft – in Rechnung stellt, kann deswegen nur einen akzeptierenden Ansatz haben. Das heißt, dass Freiräume für Konsument_innen geschaffen werden müssen, wo im Notfall medizinische Hilfe vor Ort ist, und dafür gesorgt, dass Risiken, z. B. durch sauberes Spritzbesteck, minimiert werden. Hier ist z. B. an sogenannte Drogenkonsumräume zu denken, die sich auch landespolitisch etablieren lassen.

Wir sprechen uns als GRÜNE JUGEND Sachsen dagegen aus, dass Drogen wie z. B. Cannabis verkehrsrechtlich härter sanktioniert werden als Alkohol; wobei klar ist, dass berauschte Menschen niemand anderen in Gefahr bringen dürfen. Doch auch hier gilt, dass eine Bewusstmachung der Folgen von Drogenkonsum ohne aufgezwungene Lebensentwürfe bessere Wirkungen erzielen würden als die jetzige gesellschaftliche Sanktionierung.

Die GRÜNE JUGEND Sachsen lehnt aus den genannten Gründen die Kriminalisierung von Konsument_innen ab und setzt sich dafür ein, dass vor dem Hintergrund der jetzigen Drogenpolitik, die großteils bundespolitisch bestimmt wird, als landespolitischer Schritt zumindest die Grenzwerte für straffreien Besitz in Sachsen erhöht werden.

Insgesamt unterstützt die GRÜNE JUGEND Sachsen die breite und vielfältige bundespolitische Diskussion um Drogenlegalisierung und vorgeschlagene Modelle, wie zum Beispiel Drogenfachgeschäfte, in die konsequenterweise auch Alkohol und Tabak gehören würden.

Grüne Drogenpolitik ist emanzipatorisch wie unterstützend und setzt deswegen auf Selbstbestimmung und Entkriminalisierung statt auf Sanktion und Repression. Wir wollen mündigen Rausch aus der Schmuddelecke holen und problematischen Konsummustern präventiv vorbeugen, aber in jedem Fall akzeptierend begegnen.

 

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