Für eine klima- und energiepolitische Wende!
Beschluss der 2. Landesmitgliederversammlung 2020
04.07.2020 | Digital
Die Klimakrise bedroht in nie dagewesener Weise unsere Lebensgrundlagen und schon heute leiden viele Menschen, insbesondere im Globalen Süden, unter ihren Folgen. Uns bleiben nur noch wenige Jahre Zeit, um die Erderwärmung auf ein „erträgliches“ Maß einzudämmen und unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Die Klimakrise ist längst zu einer sozialen Krise geworden. Jene, die am wenigsten Schuld tragen, leiden am stärksten. Wir wollen Klimagerechtigkeit. Dafür ist die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens unabdingbar.
Um dieses Ziel mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit zu erreichen darf
weltweit nur noch eine Menge von 420 Gt CO2-Äquivalenten ausgestoßen werden. Auf Deutschland entfällt dabei ein Anteil von 3,1 Gigatonnen – Stand Anfang 2019. Bei den momentanen durchschnittlichen, jährlichen Emissionen von ca. 0,8 Gt pro Jahr in Deutschland wäre dieses Budget bald aufgebraucht. Für die Einhaltung dieses weltweiten Treibhausgasbudgets sind eine sofortige Verringerung des jährlichen CO2-Ausstoßes und eine schnelle Transformation hin zur Klimaneutralität zwingend. Sachsen muss spätestens bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden.
Das Pariser Klimaabkommen ist Völkerrecht und damit auch für Sachsen bindend. Wir erwarten, dass sich die sächsische Staatsregierung daran hält und alles nötige unternimmt um dieses Ziel zu erreichen.Für alle neuen Gesetze und Gesetzesänderungen muss der Klimavorbehalt gelten: Gesetze, die den Weg zur Klimaneutralität versperren, dürfen nicht verabschiedet werden. Im Bundesrat muss sich Sachsen konsequent für Klimaschutz einsetzen, z. B für die Einführung eines CO2-Preises, der den tatsächlichen gesellschaftlichen Kosten entspricht.
Für uns ist klar: Wir werden das Klima nur durch einen Systemwandel retten können. Künftige sächsische Klimaschutzprogramme und -maßnahmen dürfen deshalb nicht nur technische Maßnahmen enthalten, sondern müssen den Systemwandel befördern.
Die in diesem Antrag beschriebenen Maßnahmen sind aus unserer Sicht
unverzichtbar für den Beginn einer Transformation hin zur Klimaneutralität. Wir fordern die sächsische Staatsregierung auf, diese Maßnahmen umzusetzen und in der anstehenden Novelle des Energie- und Klimaschutzprogramms festzuschreiben. Wir erwarten konkrete Festlegungen und Ziele der sächsischen Regierung im Energie- und Klimaschutzprogramm. Die Ziele dürfen dabei nicht rein auf den Energiesektor beschränkt bleiben, sondern müssen selbstverständlich alle Sektoren umfassen.
1. Dekarbonisierung des Stromsektors
Der Stromsektor ist in Sachsen der größte THG-/CO2-Verursacher. Gleichzeitig ist er auch derjenige Sektor, der am einfachsten zu dekarbonisieren ist, weshalb dies am schnellsten geschehen muss. Sachsen hat genügend Potentiale, um den Eigenbedarf an Strom mit Erneuerbaren Energien decken zu können und darüber hinaus auch noch exportieren zu können.
Ein großer Teil der Energie in Sachsen wird heute noch auf Basis von Braunkohle gewonnen. Diese Energieproduktion ist extrem ineffektiv und stößt unverhältnismäßig viel CO2 aus.
Wir fordern deshalb den klimapolitisch notwendigen Braunkohleausstieg bis 2025 in Sachsen. Wir müssen jetzt die Rahmenbedingungen schaffen, damit der Ausstieg zu diesem Zeitpunkt möglich wird.
… muss sich die sächsische Regierung im Bundesrat konsequent für einen
Kohleausstieg bis 2025 einsetzen.
… müssen die ineffizientesten und klimaschädlichsten Kraftwerke sofort
abgeschaltet werden.
… darf es keinerlei neue Genehmigungen für neue Tagebauflächen geben. Bisherige Genehmigungen, die die Einhaltung des CO2-Buget verhindern, müssen wieder entzogen werden.
… eine Bestandsgarantie sowohl für Pödelwitz in Mitteldeutschen Braunkohlerevier, als auch für Mühlrose in der Lausitz. Wir solidarisieren uns mit allen Menschen, die sich für den Erhalt der Dörfer einsetzen.
… vollumfängliche und sofort zu leistende Sicherheitsleistungen für die Kosten der späteren Wiedernutzbarmachung von den Tagebaubetreibern.
… muss das Land Sachsen sofort die Erhebung von Wasserentnahmeentgelten und Förder- und Feldesabgaben von Tagebauen in Anspruch nehmen.
Wir brauchen einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien, Speicherkapazitäten und der Stromnetze um zukünftig eine ausreichende und grundlastfähige Energieversorgung sicherzustellen.
Im Zentrum steht dabei der massive Ausbau neuer Solar- und Windenergieanlagen, sowie die Erneuerung und Repowering bestehender Anlagen, um die durch den Braunkohleausstieg wegfallenden Stromerzeugungskapazitäten zu kompensieren und darüber hinaus Mehrbedarfe durch die verstärkte Sektorkopplung abdecken zu können.
Wir fordern dazu die folgenden Maßnahmen:
… ein optimalerweise etwa gleich verteilter Ausbau von Photovoltaik- und
Windenergieanlagen, sodass diese sich in ihren Eigenschaften optimal ergänzen können.
… den Abbau rechtlicher, bürokratischer Hürden und die Schaffung zusätzlicher Anreize, Förderungen und Hilfen zur Beschleunigung des Ausbaus. Eine naturschutzkonforme Planung und die Beachtung ökologischer Belange ist dabei für uns selbstverständlich.
… die schnellstmögliche Ausweisung von ausreichend Flächen für den Bau von Windkraftanlagen durch regionalen Planungsverbände, um einen 1,5-Grad-konformen Ausbau zu ermöglichen.
… keinerlei pauschale Abstandsregelungen und Verbote für Windkraftanlagen im Wald zu erlassen. Pauschale Regelungen sind nicht zielführend, da sie die örtlichen Gegebenheiten vollkommen außer Acht lassen.
… die Beteiligung der Bürger*innen und Kommunen im Planungsprozess, um gezielt auf die örtlichen Gegebenheiten eingehen zu können und die Akzeptanz vor Ort zu sichern.
… eine finanzielle Beteiligung der Kommunen über eine Gewinnabgabe und eine einfache Möglichkeit für Bürger*innen durch Anteile an Windenergieanlagen, z.B. über Genossenschaften finanziell zu profitieren.
… die Ausschöpfung der Möglichkeiten in brachliegenden ehemaligen Tagebauflächen großflächige Windparks und Solarparks zu errichten.
… die Förderung von Agrophotovoltaik, um den flächenhaften Ausbau von Photovoltaik-Energie in Einklang mit den Interessen der Landwirtschaft zu
bringen, den Flächenverbrauch zu minimieren und für Landwirt*innen finanzielle Anreize zu schaffen.
… massive Förderprogramme für kleine Solaranlagen inklusive kleiner, dezentraler Speicher, um das Potential von Photovoltaik auf bebauten Flächen wie Dächern ausschöpfen zu können.
… eine Vereinfachung der Grünstromvermarktung generell und insbesondere für Kleinsterzeuger*innen erheblich vereinfachen.
… nachhaltig und sichere finanzielle Unterstützung der Forschung an neuen Technologien zur Erhöhung der Effizienz und Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer Energien.
Zur Sicherstellung einer sicheren Stromversorgung muss der Ausbau Erneuerbarer Energien vom Ausbau der Speicherkapazitäten und der Netzte flankiert werden. Eine möglichst dezentrale und öffentliche Energieversorgungung ermöglicht ebenso wie eine verstärkte Sektorkopplung flexibel auf Schwankungen der Stromerzeugung
zu reagieren und damit Versorgungssicherheit zu garantieren.
Stromversorgung als öffentliche Daseinsvorsorge
Die Energiewende muss ein umfassender Umbau sein und auch zur Demokratisierung des Stromsektors genutzt werden. Bürger*innenenergie und die Rekommunalisierung sind maßgeblich dafür. Stromversorgung ist Teil der Daseinsvorsorge nicht zur Profitmaximierung von Konzernen gedacht.
Wir fordern das Land auf, kommunale Projekte und Projekte von Bürger*innen finanziell massiv zu unterstützen.
Im Verkehrssektor stammt immer noch ein großer Teil der Energie aus fossilen Quellen. Jegliche Effizienzsteigerung wird dabei durch eine Erhöhung des Verkehrsaufkommens zunichte gemacht. Aus diesem und anderen Gründen sind im Verkehr keine nennenswerten Emissionseinsparungen zu beobachten. Im Kampf gegen die Klimakrise und für klimafreundliche Mobilität für alle fordern wir deshalb innerhalb dieser Legislaturperiode:
… die Verringerung der Entfernungen die zum Erreichen alltäglicher Ziele
zurückgelegt werden müssen, v. a. im ländlichen Raum.
… den Stopp von Straßenneu- und Ausbauprojekten um ein weiter erhöhtes
Verkehrsaufkommen zu vermeiden.
… die schnellstmögliche Elektrifizierung aller sächsischer Bahnstrecken.
… die schnellstmögliche Einstellung des innerdeutschen Flugverkehrs von und zu den Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden.
Um den Menschen in Sachsen eine gute Alternative zum motorisierten
Individualverkehr zu bieten fordern wir für den Öffentlichen Verkehr:
… eine groß angelegte Reaktivierungsoffensive von Bahnstrecken.
… abseits von Bahnstrecken den Ausbau des PlusBus-Netzes.
… die Bedienung aller Orte in Sachsen mit dem ÖPNV von 05-24h mindestens im Stundentakt.
… auf landesbedeutsamen Verbindungen mindestens einen Halbstundentakt.
… die Anbindung des Raums Chemnitz an den Fernverkehr durch Ausschreibungen von Fernverkehrsleistungen durch den Freistaat Sachsen.
… eine Preispolitik im ÖPNV, die ihn zum bezahlbaren Fortbewegungsmittel für alle machen kann.
Zur Stärkung des Radverkehrs in Sachsen fordern wir:
… den (Aus-)Bau von sicheren Radwegen an allen ortsverbindenden Staatstraßen.
… den schnellstmöglichen Bau von sicheren Radschnellwegen in den Ballungsräumen.
… Priorisierung des Fahrrads als Mittel der Wahl im Individualverkehrs auch durch Förderungen z. B. von Lastenfahrrädern.
Wärme macht einen Großteil des Gesamtenergieverbrauchs in Sachsen aus. Die erheblichen Einsparpotentiale im Bereich Wärme müssen daher zügig genutzt werden.
Daher fordern wir für den Wärmesektor noch in dieser Legislaturperiode:
… eine umfangreiche finanzielle Förderung für die energetische Gebäudesanierung (Verbesserung der Dämmung, Austausch von Heizsystemen, usw.).
… bei Neubauten den Passivhausstandard als energetischen Mindeststandart festzulegen.
… konsequente Abwärmenutzung beispielsweise aus Industrieprozessen und Rechenzentren.
… eine erhebliche Einsparung des Wärmeenergiebedarfs von Wohnhäusern mit Hilfe von Solarthermieanlagen auf Dächern, z.B. durch ein Landesförderprogramm.
… die verstärkte Nutzung von Wärmepumpen und oberflächennaher Geothermie.
… eine Verringerung der beheizten Wohnfläche pro Person anzustreben, z.B. durch die Förderung gemeinschaftlicher Wohnformen.
… das Schaffen einer besonderen Vorbildfunktion staatlicher Gebäude (wie
Behörden, Universitäten, Schulen, Ministerien) durch hohe Wärme- und
Energiestandards.
In der sächsischen Industrie, insbesondere der Stahl- und Chemieindustrie, aber auch im Bauwesen, entstehen große Mengen an Treibhausgasen, welche nicht durch eine Umstellung auf erneuerbare Energien direkt vermieden werden können. Ursache sind einerseits die benötigte Prozessenergie, andererseits die durch die chemischen Prozesse freiwerdenden prozessbedingten Emissionen. Viele weitere Industriezweige, in Sachsen insbesondere die Automobilinudstrie sowie der
Maschinen- und Anlagenbau sind auf die Rohstoffe aus diesen Produktionen angewiesen. Wir fordern:
… nur Technologien zu fördern, welche eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bewirken.
… die Forschungsförderung von klimaschonenden Alternativen in der
Rohstoffproduktion wie dem Einsatz von Wasserstoff in der Stahlreduktion.
Sächsische Unternehmen, die als Nachfolger solcher Rohstoffe Einfluss auf die Produktionsweise nehmen können, müssen im Rahmen von Förderprogrammen, etc. über Auflagen und Vereinbarungen dazu verpflichtet werden nur noch durch nachhaltig produzierte Herstellungsverfahren produzierte Rohstoffe einzusetzen.
… den zügigen Ersatz umweltschädlicher Materialien wie Beton durch CO2-
neutrale Ersatzstoffe, wie beispielsweise Holz als Baustoff. Das Land Sachsen muss hier entsprechende Regelungen und Anreize schaffen, die die Verwendung umweltschädlicher Materialien bestrafen und nachhaltige Ersatzstoffe bevorzugen.
… den CO2-Ausstoß in der Produktion sämtlicher Produkte und Dienstleistungen durch eine Kennzeichungspflicht auszuweisen.
…die Steigerung der Ressourceneffizienz und konsequente Kreislaufwirtschaft gerade im Bereich der Rohstoffe. Dadurch könnten bis zu 50% des heutigen Bedarfs an Primärmaterialien vermieden werden.
… bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist grundsätzlich die klimafreundlichste Alternative zu bevorzugen.
Die Landwirtschaft hat die größte Flächennutzung in Sachsen und trägt mit
erheblichen Treibhausgasemissionen zum Klimawandel bei, obwohl die
Landwirtschaft durch Dürren und Wetterextreme stark von Klimaveränderungen betroffen ist. Die heutigen Strukturen in der Landwirtschaft entsprechen weder den Interessen der Landwirtschaftsbetriebe, noch denen der Verbraucher*innen
oder den Belangen des Umwelt- und Naturschutzes.
… nur ökologische Landwirtschaft zu fördern. Sie sichert Bodenqualität und
Biodiversität.
… Abbau bürokratischer Hürden zur Beantragung von Förderungen.
… Reduktion von Produktion und Konsum tierischer Produkte im Sinne von Klima- und Ressourcenschutz.
… die Minimierung sowie langfristig ein Verbot konventioneller Tierhaltung. Zusätzlich darf diese keinerlei Fördergelder mehr erhalten.
… die Unterstützung einer rein pflanzlichen Ernährung durch standardmäßige Verfügbarkeit in öffentlichen Kantinen. Nur eine regionale bio-vegane Ernährungsweise ist global nachhaltig und gehört standardmäßig gefördert.
… frühzeitige Aufklärungsarbeit über Umwelt- und Klimafolgen von Tierproduktion und -konsum bereits in Schulen und Kitas.
… die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe.
… die Existenzsicherung kleiner regionaler Höfe.
… einen angemessenen Verkaufspreis, welcher bei den bei den Produzent*innen ankommt.
… die Förderung des regionalen Futtermittelanbaus im Zuge einer Reduktion der Tierhaltung, um lange Transportwege und die Rodung von Regenwald im globalen Süden zum Futtermittelanbau zu verhindern.
… die Erneuerung des Grundstückverkehrsgesetz in Sachsen, um den Erwerb landwirtschaftlicher Nutzflächen durch internationale Agroinvestor*innen zu verhindern.
… den Umbau von Biogasanlagen zu fördern, sodass Energie aus der Vergärung von Wirtschaftsdüngern und Reststoffen gewonnen wird. Keine Nutzung von Pflanzen, welche eigens dafür angebaut werden müssen.
… die Wiedervernässung von Mooren sowie die Aufforstung von Wäldern. Dies ist essenziell für CO2- Kompensation und Negativemissionen.
… Förderung von Humusaufbau durch Vorgabe einer standort- und betriebsgerechten Mindestfruchtfolge, die auch humusmehrende Feldfrüchte verwendet.
6. Die Klimakrise als Systemkrise
Zuerst braucht es ein sofortiges Ende aller klimaschädlicher Investitionen,
Subventionen und Förderungen. Das Land Sachsen muss alle Beteiligungen
offenlegen und mit aktivem Divestment jegliche finanzielle Mittel aus fossilen, klimaschädlichen Beteiligungen abziehen.
Je weniger Energie verbraucht wird, desto einfacher ist Klimaneutralität zu
erreichen. Klimaschutzpolitik sollte also immer auch die Verringerung des
Energieverbrauches zum Ziel haben.
In einem kapitalistischen Wirtschaftssystem, das nicht ohne Wachstum
funktioniert, ist dies jedoch nicht möglich. Effizienzgewinne lassen sich nur in begrenztem Maße erreichen und werden durch erhöhten Konsum aufgefressen.
Wir fordern deshalb eine Abkehr vom fossilen Kapitalismus hin zu einer
Wirtschaftsweise und Politik, die sich an den Bedürfnissen der Menschen und den natürlichen Grenzen unseres Planeten orientiert.
Diese Transformation ist eine gesellschaftliche, der Staat kann sie nicht
verordnen, sondern muss die kommenden tiefgreifenden Veränderungen begünstigen statt sie zu blockieren.
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