16. Juli 2020

Queeres Leben diskriminierungsfrei ermöglichen – in Sachsen, Deutschland und überall



Beschluss der 2. Landesmitgliederversammlung 2020

04.07.2020 | Digital

Aufgrund der sich ausbreitenden Corona-Pandemie müssen große CSDs in diesem Jahr leider weltweit ausfallen. Dabei wirkt die momentane Krise jedoch wie ein Brennglas auf die Herausforderungen der queeren Community rund um den Globus. Obwohl seit drei Jahren für gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit besteht, sich trauen zu lassen („Ehe für alle“) und obwohl in diesem Jahr ein Teilverbot von Konversionstherapien (Behandlungen, bei denen die sexuelle Orientierung
verändert/beeinflusst werden soll) durch den Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde, sind auch hier in Deutschland und Sachsen noch viele Schritte zu gehen.

Noch immer ist es erlaubt, Konversionstherapien an jungen Erwachsenen (18-26 Jahre) durchzuführen, weil das gesetzliche Verbot nur für Minderjährige gilt. Aber gerade junge Menschen, die sich noch inmitten ihrer Coming-Out-Verläufe und familiären Abhängigkeiten befinden, gilt es besonders in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu schützen. Außerdem gibt es eine Ausnahmeregelung für Eltern: Sie dürfen weiterhin diese gefährlichen Eingriffe (beispielsweise Psychotherapie, Lichttherapie, Homöopathie bis hin zu Elektroschocktherapie) durchführen – das ist falsch! Konversionstherapien verstärken die beim Coming out ohnehin bestehende Angst vor Stigmatisierung, Diskriminierung, Ausgrenzung
und Gewalt. Depression, soziale Isolation und ein erhöhtes Suizidrisiko können weitere Folgen sein. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) strich Homosexualität bereits 1990 von der Liste psychischer Erkrankungen. Der Weltärztebund, bezeichnete gegen Homosexualität gerichtete Therapien als „ernste Gefährdung für die Gesundheit und die Menschenrechte“. Als erstes europäisches Land verbot Malta 2015 Konversionstherapien. Auch in Brasilien und mehreren US-Bundesstaaten gibt es solche Verbote.

Alle Menschen haben das Recht auf Persönlichkeit, auf Schutz vor Diskriminierung und auf Unterstützung. Trans- und intergeschlechtlichen Menschen wird dies bis heute verwehrt. Noch immer haben wir ein veraltetes Transsexuellengesetz (TSG), dass Menschen ihrer Selbstbestimmung beraubt. Denn bis heute dürfen Menschen nicht selbstständig und ohne Diskriminierung über ihren Geschlechtseintrag
bestimmen. Über den Körper, die Sexualität oder das Geschlecht kann jedoch nur eine Person Auskunft geben – der Mensch selbst. Wir wollen Rechtsklarheit schaffen und das Recht eines jeden Menschen auf Selbstbestimmung und freier Entfaltung seiner Persönlichkeit umsetzen.

Das in der Bundesrepublik existierende Stiefkindadoption ist diskriminierend gegenüber gleichgeschlechtlichen und nicht binären Elter. Denn im Gegensatz zu heterosexuellen Paaren, gibt es keine automatische rechtliche Elternschaft für gleichgeschlechtliche und nicht binäre Elter. Deshalb braucht es endlich eine Reform des Abstammungsrechts, dass es gleichgeschlechtlichen und nicht binäeren Elter ermöglicht, von Beginn an gleichberechtigte Elter ihrer Kinder zu sein.

Auch im Jahr 2020 dürfen schwule und bisexuelle Männer, sowie transgeschlechtliche Menschen immer noch kein Blut spenden, außer sie verzichten 12 Monate lang auf Geschlechtsverkehr mit anderen Männern. Statt tatsächliche Risiken nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen rational abzuwiegen, sollen weiterhin ganze Gruppen pauschal von der Blutspende ausgeschlossen werden. Das ist nicht nur gesundheitspolitisch unsinnig. In der Zeit der kruden Theorien, wer für die weltweite Pandemie verantwortlich ist, suggeriert das auch, dass von den diskriminierten Gruppen eine besondere epidemiologische Gefahr ausgeht.

Schon in Deutschland gibt es mehr als genug auf diesem Themengebiet zu tun. Es ist dennoch unsere Aufgabe, auch europäisch und global zu denken:

In Polen erleben wir einen Präsidentschaftskandidaten und momentanen Präsidenten Andrzej Duda, der gegen LSBTIQ+ hetzt, er sich gerade dieses Vorgehen zur zentralen Wahltaktik auserkoren hat. Duda will durch die Diskriminierung der queeren Community immer mehr Menschen für seinen autoritären Stil der Regierungspartei PIS gewinnen. Wenn der Präsident eine „Familiencharta“ unterzeichnet, die sich gegen „LGBT-Ideologie“ richtet, dann entmenschlicht er damit ganze Bevölkerungsteile. Fünf der 16 Regierungsbezirke, 37 Landkreise und 55 Gemeinden in Polen haben sich zu sogenannten LSBTIQ+ freien Zonen erklärt. Damit wird gezielt Intoleranz und Hass angestachelt.

Ungarn hat die Corona-Pandemie für ein massives, gesellschaftspolitisches Rollback genutzt. In einem Gesetz zur Bewältigung der Corona-Krise in Artikel 33 versteckt, wurde es trans- und intergeschlechtlichen Personen in Ungarn unmöglich gemacht ihren Personenstand zum korrekten Geschlecht ändern zu lassen. Dies stellt einen eklatanten Angriff auf die Rechte von queeren Personen in Ungarn dar! Außerdem steht das Gesetz klar im Widerspruch zu Rechtssprechungen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und zur Rechtssprechung des Ungarischen Verfassungsgerichtshof.

Eines muss immer klar sein, die Rechte von LSBTIQ+ sind kein Minderheitenthema sondern eine grundsätzliche Frage von Menschenrechten. Sie sind eine grundsätzliche Frage von Haltung und gemeinsamen europäischen Werten, die wir in der Europäischen Union teilen.

Wir fordern:

1. Ein strafrechtliches Verbot von Konversionstherapien ohne Ausnahmen.

2. Ein umfassendes Selbstbestimmungsgesetz als Ablösung des veralteten TSG, damit die Diskriminierung von trans- und intergeschlechtlichen Personen in Deutschland beendet wird.

3. Eine Reform des Abstammungsrechts, dass die automatische rechtliche
Elternschaft für Ehepartnerinnen in gleichgeschlechtlichen und nicht binären Beziehungen möglich wird.

4. Umfassende Solidarität mit der queeren Community in Osteuropa und klare Haltung politischer Verantwortungsträger*innen in Kommune, Land, Bund und EU!



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