24. Mai 2021

Für ein neues Verständnis von Mobilitätspolitik – Mobilitätsgesetz jetzt!



Beschluss der 2. Landesmitgliederversammlung 2021

22.05.2021 | Digital

Mobilität ist die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und die Erfüllung menschlicher Bedürfnisse. Verkehr ist kein Selbstzweck, sondern ermöglicht Menschen ihre Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen. Doch noch immer orientiert
sich Verkehrspolitik in Deutschland am Wachstum im Straßenverkehr als Ziel und propagiert Tempo 180 auf der Autobahn und den Straßenbau als die wichtigsten Pfeiler. Diese Politik nicht nur unvereinbar mit dem 1,5-Grad-Ziel, sondern sie benachteiligt auch viele Gruppen.

Als GRÜNE JUGEND Sachsen setzen wir uns für ein neues Verständnis einer Mobilitäts- und Verkehrspolitik ein, bei der nicht mehr Autos, sondern die Menschen und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Wir brauchen eine feministische Mobilitäts- und Verkehrspolitik, die insbesondere auch die Bedürfnisse der Verletzlichsten in den Blick nimmt.

Feministische und inklusive Perspektive

Unterschiedliche Menschen haben auch in ihrer Mobilität verschiedene Bedürfnisse. Mobilitätspolitik muss aber alle Lebensrealitäten abbilden und nicht nur die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsplatz. Komplexere Wegebeziehungen, die sich meist auf das nahegelegende Umfeld konzentrieren, müssen viel stärker berücksichtigt werden. Mobilitätspolitik kann dadurch einen großen Beitrag auf dem Weg zu Geschlechtergerechtigkeit leisten, denn noch immer sind es meist Frauen, die nach der Arbeit ihre Kinder von der Schule abholen, zur nächsten Freizeitaktivität bringen und zwischendurch noch einkaufen gehen.

Wir wollen Mobilität inklusiv und feministisch denken. Mobilität muss für alle barrierefrei und bezahlbar ermöglicht werden. Barrieren im öffentlichen Raum und bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel müssen deutlich schneller als bisher abgebaut werden, um mobilitätseingeschränkten Menschen eine gleichberechtigte und selbstständige Teilhabe am öffentlichen Leben zu ermöglichen.

Nur wenn Menschen sich sicher fühlen, werden sie gerne zu Fuß gehen oder das Fahrrad benutzen. Ausreichend Platz und sichere Rad- und Fußwege sind wichtig Voraussetzungen, um den Anteil des Fuß- und Radverkehrs zu erhöhen. Dazu muss der öffentliche Raum neu aufgeteilt werden. Fußgänger*innen und Radfahrer*innen brauchen mehr Platz. Die Gestaltung von Straßen und Plätzen muss sich an ihren Bedarfen orientieren und nicht wie bislang primär am Autoverkehr. Fuß- und Radverkehr gibt es vor allem auf kurzen Strecken. Wir wollen deshalb das Prinzip der Stadt der kurzen Wege stärken, um allen Menschen zu ermöglichen, ihre Alltagsziele wohnortnah zu erreichen. Das gilt explizit nicht nur in der Stadt, sondern ebenso auf dem Land.

Mobilitätsgarantie

Nicht nur in der Stadt wollen wir klimaneutral und bequem zu jeder Zeit mobil sein, auch auf dem Land sollte jede*r selbstbestimmt ihre Ziele erreichen. Gerade im ländlichen Raum müssen die Möglichkeiten außerhalb der Nutzung des
eigenen Autos viel stärker betont und gefördert werden. Viele Menschen haben kein Auto zur Verfügung und sind auf einen gut funktionierenden Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) angewiesen. Das betrifft junge Menschen genauso wie Senior*innen, die kein Auto fahren können, aber ebenso auch Menschen mit geringem Einkommen, die sich kein eigenes Auto leisten können. Für sie ist ein gut ausgebauter ÖPNV Voraussetzung für Freiheit. Dazu brauchen wir einen verlässlichen ÖPNV und eine gute Anbindung an den Schienenpersonennahverkehr (SPNV), Mobilitätsdienstleistungen wie Carsharing und On-Demand-Verkehre nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land und Radwege, die nicht im Nirgendwo enden. Für Schüler:innen, Auszubildende und Student:innen, die in Sachsen wohnhaft sind, setzen wir uns für einen kostenfreien Zugang zum ÖPNV ein.

Der öffentliche Personennahverkehr ist das Rückgrat des Umweltverbundes, denn nur ein gut ausgebauter ÖPNV ermöglicht allen Menschen, egal ob mobilitätseingeschränkt oder nicht, unabhängig vom Auto ihre Ziele zu erreichen.
Eine Mobilitätsgarantie ist deshalb eine unabdingbare Voraussetzung für selbstbestimmte und verlässliche Mobilität.

Eine Mobilitätsgarantie für Sachsen, umfasst das Versprechen in ganz Sachsen mit dem ÖPNV mobil sein zu können. Konkret bedeutet das ein flächendeckendes ÖPNV-Angebot insbesondere im ländlichen Raum mit definierten Mindeststandards – und zwar unabhängig von der Bevölkerungsdichte. Das Rückgrat bildet ein aufeinander abgestimmtes, deutschlandweit vertaktetes Angebot mit Bahnverkehr und Linienbussen, mit einem garantierten Stundentakt montags bis sonntags von 5 – 24 Uhr, die alle Klein-, Mittel- und Großstädte verbinden. Sie werden ergänzt durch fahrplanfreie Rufbusse, die bei Bedarf innerhalb von einer Stunde verfügbar sein sollen.

Mobilitätsgesetz

Die Notwendigkeit einer Mobilitätswende dringt immer weiter in das gesellschaftliche Bewusstsein ein. Die Umsetzung scheitert jedoch oft nicht an fehlenden Konzepten, sondern an mangelnder Umsetzung.

Zwar schreibt der sächsische Koalitionsvertrag von 2019 ambitionierte, aber nicht ausreichende Ziele in der Verkehrspolitik fest: das sind beispielsweise die Verdopplung des ÖPNV-Anteils an den zurückgelegten Wegen oder die Verdopplung des Radverkehrsanteils bis 2025. Wir wollen weit über die dort vorgesehenen Maßnahmen hinaus. Bislang fehlt es allein schon an Maßnahmen, um die Ziele des Koalitionsvertrags auch nur annähernd erreichen zu können und es ist zurzeit nicht zu erkennen, dass das Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr die Initiative ergreift die notwendigen Änderungen umzusetzen, um diese Ziele zu erreichen.

Wir brauchen deshalb ein Mobilitätsgesetz, dass verbindliche Ziele in der Mobilitätspolitik festschreibt und dadurch einklagbar macht. Ein solches Mobilitätsgesetz sollte neben konkreten Zielen für den Anteil des Umweltverbundes am Gesamtverkehrsaufkommen (Modal Split), konkrete Maßnahmen und Projekte für den Ausbau und die Förderung des Fußverkehrs, des Radverkehrs und des ÖPNV sowie die dazugehörigen Zeitpläne und Verantwortlichkeiten beinhalten.
Ebenso sollten durch so ein Gesetz bestehende Gesetze und Regelwerke aus dem Bereich Mobilität und Verkehr so angepasst werden, dass sie die Ziele einer Mobilitätswende unterstützen und den Umweltverbund fördern. Dazu gehört auch, dass Verkehrsplanung zukünftig verkehrsträgerübergreifend gedacht wird und Maßnahmen zwischen den Verkehrsträgern aufeinander abgestimmt werden. Ebenso sollte die Erschließung neuer Finanzierungsquellen Bestandteil eines solchen Gesetzes sein, um die Finanzierung der Verkehrswende abzusichern.

Begründung

Wir brauchen eine neue Mobilitäts- und Verkehrspolitik in Sachsen. Wir wollen in der Verkehrspolitik weg von einem autozentriertem hin zu einem menschenorientierten Ansatz, wir wollen eine feministische Mobilitätspolitik.

Der sächsische Koalitionsvertrag von 2019 setzt zwar unter dem Stichwort „Mindestbedienstandards“ ambitionierte Ziele hinsichtlich der Steigerung des Anteils von ÖPNV am Modal Split und der verlässlicheren Taktung von diesem1, allerdings reichen sie nicht: Wir müssen allen Menschen in Sachsen schnellstmöglich eine autounabhängige, verlässliche Mobilität ermöglichen, damit alle, egal welches Alter, Einkommen oder welche körperliche Verfassung, ob auf dem Land oder in der Stadt, einfach von A nach B kommen.

Ein Grundstein hierfür ist ein flächendeckendes ÖPNV-Angebot insbesondere im ländlichen Raum mit definierten Mindeststandards unabhängig der Bevölkerungsdichte. Wir wollen den Menschen ein verlässliches Angebot machen ohne Auto überall in Sachsen mobil sein zu können. Dafür braucht es die Mobilitätsgarantie.

Darüber hinaus ist der ÖPNV die Stellschraube für eine klimagerechte Mobilitätswende und wir müssen unseren Fokus in jeglichen Lebensbereichen auf das 1,5-Grad-Ziel richten. Ein Mobilitätsgesetz ist somit unser Vorschlag, wie eine solche neue Mobilitäts- und Verkehrspolitik in Sachsen einklagbar ist und zielgerichtet umgesetzt werden kann.

1 https://www.staatsregierung.sachsen.de/download/Koalitionsvertrag_2019-2024-2.pdf, S. 48 f.

Beschluss als PDF herunterladen



← zurück