9. November 2021

Illegale Pushbacks an der belarusisch-polnischen Grenze stoppen, Rechtsstaatlichkeit einfordern und Schutzsuchende menschenwürdig behandeln



Beschluss der 3. Landesmitgliederversammlung 2021

06.11.2021 | Chemnitz

Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko erpresst die EU und noch viel schlimmer: die EU und insbesondere Polen reagieren exakt so, wie es sich der autoritäre Machthaber nicht anders hätte wünschen können. Sie werden zum politischen Spielball. Die EU verrät ihre eigenen Werte und ihre menschenrechtlichen Grundlagen.

Lukaschenko hat die Schwachstelle der aktuellen politischen Lage entdeckt und rächt sich damit für EU-Sanktionen, die im Frühjahr 2021 als Reaktion auf sein repressives Vorgehen gegen prodemokratische Demonstrierende verhängt wurden. Die Leidtragenden sind nun rund 20.000 Menschen, die vor allem aus dem Irak, Afghanistan und Syrien geflüchtet sind und von Lukaschenko mit dem Versprechen nach Belarus gelockt worden sind, dass sie von dort aus in die EU weiterreisen und Asyl beantragen können. Es ist unsere Verantwortung als Jugendorganisation, Druck auf die Landesregierung sowie die zukünftige Bundesregierung aufzubauen und unsere Positionen in den Koalitionsvertrag zu bringen. Als sächsischer Landesverband der Grünen Jugend positionieren wir uns mit diesem Antrag klar und fordern den menschenunwürdigen Umgang mit Schutzsuchenden an unseren Außengrenzen sofort zu beenden.

Schutzsuchende werden von polnischen Polizeikräften zurück in den belarussischen Wald geschickt und geprügelt. Es gibt Beweismittel und Videos von Uniformierten, die Schutzsuchende mit Schlagstöcken zusammenschlagen. Das sind völkerrechtswidrige Pushbacks und gravierende Menschenrechtsverletzungen an den Grenzregionen. Auch die Grenzgebiete zu Litauen und Lettland sind betroffen. Allerorts werden die Grenzbefestigungen verstärkt. Europa schottet sich ab und wird zu einer Festung. Statt die hilfsbedürftigen Menschen in menschenwürdigen Unterkünften unterzubringen und ihnen einen fairen Asylprozess zu gewähren, werden sie unter Anwendung von Gewalt zurück über die Grenze gedrängt. Es gibt keine Versorgung mit Lebensmitteln oder Trinkwasser, keine Unterkunft und keine medizinische Versorgung. Egal ob jung oder alt, gesund oder krank, schwanger, hungrig oder traumatisiert: die Menschen müssen oft viele Tage im Wald zwischen Polen und Belarus ausharren. Die meisten von ihnen tragen Hämatome am Körper oder haben Erfrierungen an den Füßen, weil sie zum Beispiel in der Kälte durchs Moor gelaufen sind oder nachts im Wald campieren mussten. Mindestens 10 Menschen sind an der osteuropäischen Außengrenze gestorben und die Gefahr für weitere Todesfälle steigt mit den fallenden Temperaturen jeden Tag.

Wenn Schutzsuchende den Weg von Belarus über Polen nach Deutschland unter den menschenunwürdigen Umständen geschafft haben, dann lässt es die deutsche Regierung zu, dass die faschistische Partei III. Weg öffentlich und überregional dazu aufrufen kann, Schutzsuchende am Grenzübertritt zu hindern. Auch Michael Kretschmer reihte sich erst letzte Woche in eine Reihe von menschenunwürdigen Rufen nach Zäunen und Mauern an den Grenzen ein. Es sind genau diese Aussagen, die den Hass in unserer Gesellschaft schüren.

Am 2. September verhängte Polen einen Ausnahmezustand in der Grenzregion zu Belarus. Seitdem herrscht ein Zutrittsverbot für Hilfsorganisationen. Diese würden gerne beispielsweise die dringend benötigte medizinische Betreuung anbieten. Doch sie werden von den polnischen Behörden aktiv an ihrer Tätigkeit gehindert und dürfen nicht einmal in die Nähe der hungernden und frierenden Menschen. Auch Journalist*innen wird der Zugang zu diesem Gebiet verboten, so dass die Berichterstattung über und die Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen stark erschwert wird.

Polen verweigert den Menschen an ihrer Grenze bewusst eine menschenwürdige Behandlung. Das ist eine Schande für die EU und für alle ihre Mitgliedsstaaten, die vermeintliche innenpolitische Interessen über Grundrechte stellen, wie u.a. das Recht auf Asyl, das Recht auf Leben, das Recht auf Nahrung, das Recht auf Wohnen, das Recht auf Gesundheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Die EU darf sich nicht auf Lukaschenkos Spiel einlassen und das Schicksal von Menschen zum politischen Spielball machen.

Wir als Grüne Jugend Sachsen fordern von der Landesregierung in Sachsen sowie der zukünftigen Bundesregierung als Positionierung im Koalitionsvertrag:

  • Sofortiger Stopp der illegalen Pushbacks an den Außengrenzen der EU
  • Finanzierung unabhängiger Beobachter*innen an den Grenzen zur Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte und Sicherstellung von Beweismitteln der Menschenrechtsverstöße
  • Sofortige humanitäre Versorgung der Geflüchteten in Polen, Litauen und Lettland
  • Sofortiger Zugang zu fairen Asylantragsverfahren und rechtlichem Beistand in Deutschland
  • Sofortiger Zugang von Hilfsorganisationen und Medienvertreter*innen in den Grenzregionen
  • Humanitäre Aufnahme von Geflüchteten, die über Belarus nach Deutschland kommen, sowie eine menschenwürdige Unterkunft
  • Sprachkurse für ankommende Menschen von Tag eins an, unabhängig von der Bleibeperspektive
  • Konsequente Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen und Konsequenzen für die Verantwortlichen
  • Gute Versorgung und schnelle asylrechtliche Betreuung derjenigen, die über Polen nach Deutschland kommen

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