19. Dezember 2021

Zwei Jahre Kenia-Koalition in Sachsen – Fazit der GRÜNEN JUGEND Sachsen

2 Jahre Kenia Koalition in Sachsen


Nun geht das zweite Jahr der sächsischen Koalition aus CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD zuende. Der Landesvorstand hat wieder fleißig das Geschehen beobachtet und sich an einem Resümee gewagt. Die verschiedenen Bereiche haben wir Erfolgen, Kritik und Ausblick zugeordnet, die sächsische Pandemiepolitik floss überall mit ein und wurde deshalb nicht einzeln aufgeführt.

1. Hier gab es Erfolge


Umwelt/Naturschutz/Klima/Landwirtschaft

Sachsen steht vor Herausforderungen und spürt die Folgen des Klimawandels jetzt schon. Die Klimakrise sorgt für Dürre im Wald und in der Landwirtschaft. Der Umstieg auf Erneuerbare Energien ist ebenso wichtig, wie die Förderung der sächsischen Artenvielfalt. Der Borkenkäfer als stille Naturkatastrophe und die Generationenaufgabe Waldumbau beschäftigen das Grüne Ministerium in Sachsen. Doch was wurde bis jetzt getan? Das im Koalitionsvertrag vereinbarte neue Klima- und Energieprogramm konnte dieses Jahr umgesetzt werden, es wurde auf Grundlage der Pariser Klimaziele ausgearbeitet und soll einen neuen Rahmen für die Energiewende und Sachsens Weg zur Klimaneutralität sein. Das begrüßen wir ausdrücklich, leider hätte es noch viel ambitionierter sein müssen. Neben dem Energie- und Klimaprogramm wurde für den Haushalt ein Klimafonds in Höhe von 25 Mio. Euro eingebracht. Dieser soll Kredite für Unternehmen, die sich klimaneutral verhalten, ermöglichen. Sachsen soll auch in Zukunft Energieland bleiben. Neben einer neuen Förderrichtlinie für Insektenschutz und Artenvielfalt, wurde das „Baum-ab-Gesetz“ abgeschafft und mit dem neuen Naturschutzgesetz erhalten Kommunen die Möglichkeit effektiven Gehölzschutz selbst zu regeln. Das Konjunkturprogramm „Nachhaltig aus der Krise“ aus dem letzten Jahr soll bei der wirtschaftlichen Bewältigung der Pandemie helfen. Damit wurden modellhafte Projekte, die insbesondere eine nachhaltige Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft stärken, Klimawandelfolgen bewältigen oder zu einer zukunftsfähigen Energieversorgung beitragen, gefördert. Die Strukturen für nachhaltige und soziale Landwirtschaft sollen erneuert werden. Dazu gehören die regionale Erzeugung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte. Landwirtschaft soll in Sachsen zukunftsfähig werden. Im Doppelhaushalt 2021/22 stehen ca. 4,2 Mio. Euro für die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Ökolandbau bereit. Umwelt- und Klimaschutz erfordern ein strukturelles und persönliches Umdenken. Der Schutz unserer Umwelt lebt auch von Bildungs- und Aufklärungsarbeit. Die Apfelbäumchen-Aktion für Schulen und Kitas gehört beispielsweise dazu. Die Kampagne „Energieland Sachsen. Gemeinsam erneuern“ soll für mehr Informationen und Akzeptanz sorgen. Aus unserer Sicht hat sich in dem letzten Jahr einiges für Umwelt und Klima getan. Wir erwarten von der Sächsischen Politik die Einhaltung des 1,5 Grad Ziels – dafür reichen die bisherigen Maßnahmen leider noch nicht aus.

Europa

Die Europapolitik der Koalition hat insbesondere im Zusammenhang mit dem Vorsitz der Europaminister:innen-Konferenz (EMK) größere Bedeutung erlangt. Unter sächsischem Vorsitz wurde die Zusammenarbeit mit Polen und Tschechien gestärkt – beschlossen wurde das ganze auf der EMK in Chemnitz, in deren Umfeld auch ein deutsch-polnisches Jugendforum veranstaltet wurde. Im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas veranstaltet das Europaministerium passend dazu „Grenzdialoge“ zwischen Bürger:innen aus Sachsen und den beiden europäischen Nachbarländern. Gleichzeitig wurde auch der Dialog mit der polnischen Zivilgesellschaft gesucht, um Themen wie die Situation der queeren Community und Frauenrechte anzusprechen. Der gesellschaftspolitische Rollback der polnischen Regierung darf nicht unbeantwortet bleiben – gleiches gilt auch für andere europäische Regierungen.

2. Das ist mittelmäßig

Gleichstellung

Gleichstellung geht uns alle an. Männer und Frauen sind laut Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes gleichberechtigt. Doch in der Realität sieht das anders aus. Ungleiche Löhne und ein System, das faktisch und datentechnisch auf die Bedürfnisse von Männern ausgerichtet ist. Unsere sächsische Politik ist dafür verantwortlich ihren Beitrag zu leisten diese Strukturen aufzulösen, um ein neues, gleichberechtigtes System zu fördern. Mit dem grünen Sächsischen Staatsministerium für Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG) sind wir auf einem guten Weg. Wie im Koalitionsvertrag genannt, gab es auch dieses Jahr einen Frauenförderungsbericht. Das Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst soll die Anzahl weiblicher Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung erhöhen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern und die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern schließen. Das Gleichstellungsgesetz ist längst überfällig – das muss schnellstens angegangen werden!Physische und psychische Gewalt gegen Frauen und Kinder zählt zu den Problemen, die sich durch die Corona-Krise verstärkt haben. Die letzten zwei Pandemiejahre haben gezeigt, an wie vielen Beratungsstellen es in ländlichen Räumen fehlt. Es ist äußerst wichtig, wie auch im Koalitionsvertrag beschlossen, ein Umdenken auf dem Gebiet der Gleichstellung zu erreichen. Gewaltschutz ist eine staatliche Verpflichtung und gesamtgesellschaftliche Aufgabe! Für 2022 stehen 10 Mio. Euro zur Verfügung, um das Hilfesystem auszubauen. Damit können in allen Landkreisen Schutzräume und Beratungsstellen finanziert werden, das ist ein guter Anfang.

Frauen müssen unbedingt bestärkt werden – der Sächsische Gründer:innen Preis ist neben den Aktionen zum Frauentag und zum Girl´s Day eine von vielen wichtigen Förderungen. Die Umfrage zu Lebenslagen von LSBTIQ* Personen in Sachsen soll einen allgemeinen Überblick über die bisherige Lage geben und ist aus unserer Sicht ein guter Ansatz, um die Lebenssituationen der vielen queeren Menschen in Sachsen zu verbessern.An der Gleichstellungsarbeit ist dennoch zu kritisieren, dass sie noch immer auf einem binären Geschlechterverständnis basiert. Gewalt und Benachteiligung an nicht cis-gender Personen (z.B. nicht-binär, agender, trans und inter) erfahren zu wenig Aufmerksamkeit und so wird ihre Marginalisierung nicht angegangen. Hier erfüllt die Koalition nicht ihre Aufgabe! 

Haushalt und Finanzen

Der Doppelhaushalt 2021/2022 wurde leider erst im Mai 2021 verabschiedet, also zu spät. Dankenswerterweise hat aber die grüne Fraktion eine vorläufige Haushaltsführung durchgesetzt, damit einzelne Förderprojekte ab Jahresbeginn weiterlaufen konnten. Dennoch ist eine grüne Handschrift im Haushalt erkennbar: Die Erhöhung der Jugendpauschale mit Zweckbindung an die Kommunen, der Ausbau von Schutzeinrichtungen für Opfer häuslicher Gewalt oder auch keine Einsparungen bei Demokratieprojekten sind positiv hervorzuheben. Besonders lobenswert ist die Einrichtung eines Klimafonds (25 Mio. Euro), um den Klima – und Umweltschutz in Sachsen voranzubringen. Das hätte es schon viel eher und umfassender gebraucht! Außerdem freuen wir uns sehr über 3 Mio. Euro zur Einführung der Wechselkennzeichnung für geschlossene Einheiten bei der Polizei. Wir kritisieren die CDU und insbesondere Finanzminister Vorjohann für ihre Blockade gegenüber Investitionen. Die Schwarze Null ist veraltet – wir brauchen eine Grüne Null, sprich einen klimaneutralen Haushalt und einen Klimavorbehalt bei allen Gesetzen und Gesetzesänderungen, sowie jede Menge Investitionen, z.B. in die Infrastruktur! Sparen ist keine solide Haushaltspolitik, solange wir in maroden Schulen unterrichtet werden und der Bus außerhalb der Städte nicht fährt. Der Mechanismus der Schuldenbremse muss dringend modernisiert werden. Diese Verfassungsänderung ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben, deswegen erwarten wir, dass sich die Koalition auch einigt. Die CDU sollte sich kooperativer zeigen und einen eigenen Gesetzesvorschlag vorlegen. 

Bildung, Hochschule und Digitalisierung

Die Bildungspolitik im zweiten Jahr der Koalition war, wen wundert’s, vor allem durch die Corona-Pandemie beherrscht. Die Schüler:innen und Lehrkräfte sahen und sehen sich den Wellenbewegungen der Pandemie unterworfen und damit auch der schwierigen Abwägung zwischen Gesundheitsschutz und Teilhabe. Mit dem im Frühjahr eingeführten Test-Regime in Bildungseinrichtungen konnte zumindest schrittweise  Präsenzunterricht ermöglicht werden, beginnend bei den Kleinen. Mittlerweile befinden wir uns in der vierten Welle – deren Infektionsgeschehen wiederum in der Aussetzung der Präsenzpflicht mündete. Bei der angeschobenen Erarbeitung des vereinbarten Sozialindexes werden wichtige Daten aus der Schul- und Sozialraumstatistik zusammengeführt. Daraus resultiert eine bedarfsgerechtere Ressourcenverteilung, die sehr positiv hervorzuheben ist. Nachdem im letzten Jahr die Gemeinschaftsschule in Sachsen eingeführt wurde, konnten sich dieses Jahr bereits erste Schulgemeinschaften zu diesem Schritt entschließen.

Die Hochschulen befanden sich seit dem Sommersemester 2020 weitgehend, mit studiengangsbedingten Ausnahmen, in der digitalen Lehre. Dieser Trend konnte mit ersten Präsenzprüfungen zum Ende des SoSe 2021 und schließlich dem Start in die partielle Präsenzlehre Anfang des Wintersemesters in Stücken umgekehrt werden. Angesichts der vierten Welle ist aber auch hier mittlerweile wieder das Digitale vorherrschend. Jenseits dessen konnte den Studierenden mit Beschlüssen zur Regelstudienzeitverlängerung, absehbar auch für das Wintersemester 21/22, Luft verschafft werden. Die für 2020 vereinbarte Novellierung des Hochschulfreiheitsgesetzes scheint ein Jahr später an Fahrt aufgenommen zu haben, ein Austausch mit den Akteur:innen fand bereits statt, sodass das Wissenschaftsministerium nun an der Erstellung eines Entwurfes arbeitet – wird ja auch Zeit.

Im Bereich der Digitalisierung konnten auch im zweiten Jahr keine Quantensprünge erzielt werden, der Haushalt 21/22 enthält mit den Landesstrategien zu Open-Source und GreenIT allerdings vielversprechende Wegweiser für die Zukunft. Die Koalition hat sich vorgenommen, aus der Pandemie zu lernen – allein unter dem Stichwort „Lernsax“ gibt es genug Potenzial – wir können sie hier nur beim Wort nehmen.

Verkehr

Nach langem Warten auf das sächsische Wirtschaftsministerium wurden endlich die Potenzialanalysen zur Streckenreaktivierung vorgestellt, welche immerhin sechs Bahnstrecken gute Aussichten bereiten. Die Koalition hat zur weiteren Finanzierung 13 Mio. Euro eingestellt. Es bleibt abzuwarten, wie zügig man hier, im wahrsten Sinne, endlich vorankommt und so besonders dem ländlichen Raum eine bessere Anbindung ermöglicht. Ein nennenswerter Fortschritt und Erfolg liegt im realisierten, verbundweiten Bildungsticket für 15 € im Monat. Dass den Verkehrsunternehmen abermals Einnahmen ersetzt werden konnten, hat Schlimmeres, wie eine Angebotsreduktion, verhindert – perspektivisch muss die Finanzierung des ÖPNV allerdings breiter aufgestellt werden, um den Bemühungen um mehr Klimaschutz gerecht zu werden. Auch der Fluglärmschutzbeauftragte des Freistaates hat zum 1. September seine Arbeit aufgenommen – eine wichtige Stelle, die sich mit Blick auf den Konflikt um den Flughafen Leipzig/Halle hoffentlich bezahlt machen wird. Den Mittel- und Stellenaufwuchs im Bereich der Radverkehrsplanung begrüßen wir – alles in allem hat die Koalition noch nicht die Verkehrswende eingeläutet, aber immerhin mehr erreicht als im ersten Jahr.

3. Hier ist Kritik angebracht

Soziales/Kinder- und Jugendpolitik

Alle Kinder in Sachsen haben es verdient gleichermaßen am gesellschaftlichen Leben unabhängig von dem Einkommen der Eltern teilnehmen zu können. Chancengleichheit, die gibt es in Sachsen leider nicht. Die Corona-Pandemie hat dieses Problem verschärft. Internet und eine technische Ausstattung für das Homeschooling kann sich nicht jede Familie leisten. Kinder brauchen unseren Schutz besonders, sie brauchen eine gesicherte Zukunft, denn sie sind unsere Zukunft. Die Corona-Pandemie hat gesellschaftliche Ungerechtigkeiten aufgedeckt und sogar verschlimmert. Das Recht auf Bildung und Unversehrtheit sollen Priorität Nummer Eins sein. Kinder und Jugendliche müssen geschützt werden. Das Sozialministerium setzt an dieser Stelle wohl leider eher auf Hilfe zur Selbsthilfe. Kinder haben Rechte und diese Rechte müssen wir ihnen gewähren und ermöglichen. Die Bündnisgrüne Fraktion hat das Aktionspapier „Junge Menschen in den Mittelpunkt“ veröffentlicht; Zukunftsperspektiven junger Menschen verdienen unsere vollste Aufmerksamkeit. Die Generalinventur des Kinder- und Jugendhilfegesetzes soll den Fokus auf ein Mindestangebot an Jugendschutz, Jugendarbeit, Familienarbeit und Jugendgerichtshilfe legen. Die Erhöhung der Jugendpauschale verzeichnen wir als Fortschritt.

Innenpolitik & Kampf gegen Rechts

Wo fangen wir an? Spätestens im März wird deutlich, dass der sogenannte Innenminister Wöller die sächsische Polizei nicht im Griff hat und das massive Problem mit Rechten in Behörden leugnet. Ermittlungen legen den Diebstahl von 7000 Schuss Munition durch Mitglieder des Mobilen Einsatzkommandos Dresden  (LKA Sachsen) offen, außerdem illegal durchgeführte Schießtrainings und Verstöße gegen das Waffengesetz. Konsequenzen in der Polizei? Fehlanzeige. Das gesamte Jahr über begleitet uns die Debatte über die Waffenverbotszone rund um die Eisenbahnstraße in Leipzig. Es brauchte letztendlich eine Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Bautzen, um diese veraltete Regelung zu kippen. Menschen fühlen sich nicht sicherer, wenn sie plötzlich polizeilich kontrolliert werden! Mit dem durch die Überholung der Waffenverbotszone gewonnenen Geld könnte man jetzt zum Beispiel mehr sozialpolitische Maßnahmen finanzieren. Dass „Querdenken“ und Rechtsradikale in Sachsen unter Wöller mehr Schutz als staatlichen Protest bekommen, ist nichts Neues. Aber wenn Menschen sich Coronaleugnerprotesten friedlich entgegenstellen und dann von der Polizei eingekesselt und auf dem Boden gefesselt werden, ist das Vertrauen in den Rechtsstaat fundamental gebrochen. #c2911 ist leider nicht das Einzige, sondern nur das prominenteste Beispiel – das ganze Jahr über konzentrierte sich die Polizei lieber darauf demokratische Gegenproteste zu erschweren, als die jeweilige Corona-Verordnung bei den „Querdenken“-Demonstrationen durchzusetzen. Im Dezember hat die Polizei dann endlich angefangen, härter gegen „Querdenken“ vorzugehen, das ist erfreulich – dass es dafür Fackelproteste vor dem Wohnsitz der Gesundheitsministerin und Morddrohungen gegen den Ministerpräsidenten brauchte sollte allen Beteiligten zu denken geben. Roland Wöller ist entweder mit dem Amt des Innenministers überfordert, oder er glaubt wirklich – entgegen aller Statistiken und Vorkommnisse in Freiberg, Chemnitz, Zwönitz, Zwickau und Co. – an die Hufeisentheorie. Das wäre nicht nur Blödsinn, sondern auch gefährlich: Verharmlosung und fehlende Abgrenzung des Sächsischen Staatsministerium des Innern gegen Rechts stärkt eben jenes Klientel. Auf die CDU ist beim Kampf gegen Rechts einfach kein Verlass und das ist ein Schuss ins Knie aller engagierten Demokrat*innen auf der Straße und im Parlament, aller Impfteams, aller Ärzt*innen, aller Menschen, die sich derzeit solidarisch verhalten und Zivilcourage zeigen. Wir fordern weiterhin Wöllers Rücktritt bzw. eine Entlassung durch den Ministerpräsidenten. Außerdem muss dringend das Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus (beschlossen durch den Landtag im Sommer 2020) weiter umgesetzt werden. Die bisherigen Fortschritte sind eindeutig der grünen Fraktion zu verdanken und beinhalten viele gute Ansätze wie z.B. das bereits eröffnete Else-Frenkel-Brunswik-Institut: Eine unabhängige Einrichtung, die zu demokratiefeindlichen Bewegungen in Sachsen forscht. 

Asyl

Die sächsische Asylpolitik war und bleibt die Achillesferse dieser Koalition und ist aus unserer Sicht in allen Punkten beschämend. Im Februar weist Wöller fünf Härtefallersuchen zurück, indem er sich auf sein Vetorecht gegenüber den Entscheidungen der Härtefallkommission (HFK) beruft. Die Zustimmung des Innenministers zu den Entscheidungen der HFK gilt eigentlich als Formsache, dementsprechend viel Hoffnung hat er bei Betroffenen zerstört. Dieses Vetorecht kann leider nur auf Bundesebene durch das Bundesministerium des Innern (BMI) angegangen werden – diese Reform braucht es dringend! Der Bund muss Sachsen zu besserer Asyl- und Migrationspolitik zwingen – eine Ampel ermöglicht zum ersten Mal nach 16 Jahren CDU grundlegende Veränderungen – diese Chance muss genutzt werden. Im Juni gehen Wöller und die Landesdirektion beim Fall der Familie Imerlishvili aus Pirna sogar so weit, die Beratung der HFK gar nicht erst abzuwarten. Das ist rechtswidrig und widerspricht jeglicher Humanität. Letzteres scheint Wöller jedoch allgemein immer mehr zum Fremdwort zu werden, sonst würde er Abschiebungen von der Schule, dem Arbeitsplatz und mitten in der Nacht nicht unterstützen. Einen beschlossenen Abschiebeleitfaden gibt es entgegen aller Pläne immer noch nicht – die drei Parteien streiten sich offensichtlich darüber, was humanitäre Standards im Konkreten sind.Gegen Ende des Jahres bekam die Erstaufnahmeeinrichtung in Mockau nochmal Öffentlichkeit – nicht etwa für Qualität, sondern weil sie exemplarisch für die katastrophale Unterbringung Geflüchteter in Sachsen steht. Bis zu 12 Personen teilen sich ein Zimmer, es gibt keine Decken und Kissen und keinerlei Ablage geschweige denn Stauraum für private Habseligkeiten der Bewohner*innen. Lange Zeit wurden die Schlafräume nicht beheizt und das obwohl die Zimmerdecken nur aus Zeltplanen bestanden. Festgestellt wurde auch, dass die sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen keine Rückzugsmöglichkeiten für queere Schutzsuchende bieten. Frappierend ist zum Beispiel, dass weder Zimmer noch Sanitäranlagen abschließbar sind, sodass Betroffene kaum Schutz vor Gewalt finden. 



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