Gegen sächsische Kontinuitäten – Mohammad Bleibt! Pham/Nguyen bleibt!
Beschluss der 2. Landesmitgliederversammlung 2022
29.10.2022 | Dresden
Das Traurige ist, dass es nichts Neues ist.
Der Freistaat Sachsen ist in den letzten Monaten für seine unmenschliche und
unbarmherzige Migrationspolitik wieder unrühmlich aufgefallen. Die sächsische
Abschiebepolitik fiel mit dem Fall Mohammad K. und der Familie Pham/Nguyen
wieder für ihre perverse, bürokratische Überkorrektheit, ihre
Rücksichtslosigkeit und ihrem Rassismus auf.
Doch sind weder bürokratischer Alltagswahnsinn noch Abschiebepolitikrichtlinien
in Stein gemeißelt. Sie sind formbar bzw. ein Ergebnis von politischem Willen
und gegen diese gewollte Unmenschlichkeit lehnen wir uns auf!
In Anbetracht dieser ernüchternden Umstände ist es deshalb selbstverständlich,
dass sich etwas ändern muss. Die GRÜNEN JUGEND Sachsen fordert deswegen:
- Mohammad K. bleibt! Nach 7 Jahren in Sachsen und offensichtlich starker
mentaler Belastung bei einer Abschiebung ist das Vernünftigste das
Bleiberecht.
- Familie Pham/Nguyen bleibt! Abschiebung nach 35 Jahren, aufgrund einer
überzogenen Frist ist mehr als zynisch.
- Keine unverhältnismäßigen Abschiebeprozeduren mehr! Großeinsätze und
Polizist*innen ohne notwendiges, sensibilisierendes Training führen zu
Eskalation und mentalen Krisen.
- Vorgriffs-Regelung auch in Sachsen! Keine Abschiebungen mehr für
potenzielle Anspruchnehmer*innen des Chancen-Aufenthalts.
- Tiefgreifenden Wandel in sächsischen Ausländerbehörden und der
Härtefallkommission! Wie kann es sein, dass inhumane Behörden und
unverständliche Kommissionsentscheidungen Tagesordnung sind?
Diese Maßnahmen sollen dafür da sein, um erste pragmatische Schritte zu
inspirieren. Es ist klar, dass keine wirklich menschenfreundliche
Migrationspolitik möglich ist, ohne gleichzeitig den Kapitalismus, Neo-
Kolonialismus, Imperialismus, Rassismus und das Konzept des Nationalstaats
anzugreifen. Doch auch eine starke GRÜNE JUGEND Sachsen muss sich erstmal
kleinere Ziele setzen, anstatt direkt an revolutionären Zielen zu verzweifeln.
So muss abschließend aber betont werden, dass jeder noch so kleine Schritt in
die richtige Richtung uns näher an die blühenden Landschaften bringt, die wir
uns doch als Utopie gesetzt haben.
Begründung
Zur näheren Einordnung der aktuellen Umstände:
Zuerst sollte im Spätsommer Familienvater Pham Phi Son und der Rest seiner Familie abgeschoben werden, da dieser die unbefristete Niederlassungserlaubnis entzogen wurde. Dies kam nur zustande, da Pham Phi Son sich 2016 länger als 6 Monate in Vietnam aufhielt. Die Fristüberschreitung kam zustande, als eine alte Kriegsverletzung notwendigerweise behandelt werden musste und sich deswegen der Aufenthalt gezwungenermaßen verlängerte. Die deutschen Institutionen – in Form des Chemnitzer Verwaltungsgerichts, der Härtefallkommission und der Ausländerbehörde Chemnitz – sahen in diesem Umstand keinen ausnahmewürdigen Sachverhalt und entschieden sich dazu eine Familie zu entwurzeln und jemandem das Bleiberecht zu entziehen, nachdem er 35 Jahre lang in Deutschland gelebt hat. Beschämend.
Später schockierte der Fall Mohammad K. die sächsische Zivilgesellschaft. Erneut sollte eine Person nach 7 Jahren Aufenthalt in Leipzig entwurzelt werden. Ein völlig überdimensionierter Großeinsatz sollte dafür sorgen den Betroffenen direkt in ein Flugzeug zu bringen und erreichte dabei nur enorme mentale Belastungen für Mohammad. Traurigerweise resultierte dies in Selbstverletzung und der Äußerung von Suizid-Absichten. Erneut erwies sich die sächsische Abschiebepraxis als inhuman und rücksichtslos. Selbst im Leipziger Uniklinikum hörte die Schikane nicht auf und Polizisten erlaubten Mohammed K. nicht einmal eine geschlossene Zimmertür nachts, um Ruhe zu finden. Dabei kam er gerade aus einer OP und war verständlicherweise am Limit seiner Kräfte. Die erwogene Wiedereröffnung der Abschiebehaftanstalt Dresden für eine Person ist die absurde Krönung der Unverhältnismäßigkeit sächsischer Abschiebebemühungen. Glücklicherweise entschied sich die Härtefallkommission schlussendlich, aufgrund massiven Drucks, sich mit dem Fall Mohammad K. zu beschäftigen.
Diese Ausführungen stellen leider keine Einzelfälle da. Sie müssen uns als stetige Warnung dienen, dass Law-and-Order-Migrationspolitik in Sachsen die Existenz von Familien und sogar Menschenleben in Kauf nimmt, um rassistische Ressentiments innerhalb der rechts-neigenden Wählerschaft zu bespielen. Zudem will die sächsische CDU sich lieber potenziellen AfD-Wähler*innen anbiedern und weiterhin menschenfeindliche Politik betreiben, statt wirklich solidarisch mit Menschen nicht-deutscher Herkunft in diesem Bundesland umzugehen.
Abschließend ist zu sagen, dass die GRÜNE JUGEND Sachsen sich in den letzten 3 Jahren 8-mal zu Migrationspolitik geäußert hat. Dies ist eine traurige Konstante unsere Verbandsarbeit, ausgelöst durch eine Politik die Menschen für Wahlziele und aus eigenem Rassismus lieber zerstört, als ihnen bei uns eine Chance zu geben. Wir fragen uns, wie lange wir und andere Institutionen wie der Sächsische Flüchtlingsrat noch an der sächsischen CDU appellieren müssen, bevor sie endlich realisieren, dass das C in ihrem Namen für christlich steht. Vielleicht haben sie ja vergessen, dass diese ganze Religion mit Gastfreundschaft und Menschen aus dem Nahen Osten begann. In Sachsen leider alles unvorstellbar…
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