Förderung ländlicher Raum
Beschluss der 1. Landesmitgliederversammlung 2024
23.03.2024 | Leipzig
Der ländliche Raum. Ziemlich nett hier. Natur, eine ruhige Atmosphäre, ein
Kirchturm streckt sich neben einen Meter hohen Silagestapel in die Luft.
Echt schön. Gibt’s sonst noch was? Nee. Ja gut, dann lass lieber wieder zurück
in die Stadt fahren. Wird schwierig, am Wochenende fährt nämlich kein Bus.
Hmmm, dann eben mit dem Fußbus fahren. Ne Flasche Wasser für unterwegs
kaufen? Geht auch nicht, nen Laden gibt es im Umkreis von 10km nämlich nicht.
Was es allerdings gibt, sind Neonazisticker an jeder zweiten Laterne und AfD-
Wahlquoten oberhalb von 40%. Der Ausbau der Infrastruktur ist auf dem Stand
von 1980, die Anbindung an das urbane Leben ist ohne Auto nahezu unmöglich
und Jugendliche gehen hier weg wie warme Semmeln.
Der ländliche Raum steht vor riesigen Herausforderungen. Es fehlt an jungen
Menschen, aber auch an Zukunftsperspektiven für junge Menschen.
Und was geschieht? Nichts, außer das völkische Siedler und Neonazis von AfD,
Freien Sachsen und co. Ihre Chance erkennen und den ländlichen Raum auf Ihre
Seite ziehen, besonders auch junge Menschen.
Das ist ein ernsthaftes Problem, welchem wir uns widmen müssen.
Wir als politisch linke wollen Mehrheiten und Menschen überzeugen. Während wir
im urbanen Raum einen auf volle Mobilisierung machen, wird der ländliche Raum
komplett vernachlässigt. Dabei steckt im ländlichen Raum so viel Potential für
uns.
Im ländlichen Raum findet die Energiewende statt, aber wir reden über, anstatt
mit den Menschen, wenn es darum geht, Windräder und Photovoltaik auszubauen.
Bei der Mobilität sehen wir das einzige Problem auf den Kosten. Aber was bringt mir
ein kostenloser ÖPNV, wenn an Wochenenden und nach 20:00 kein Bus mehr fährt.
Wir reden über Tierwohl und eine Umstrukturierung der Landwirtschaft, ohne dabei
mit den betroffenen Landwirt*innen zu sprechen. Wir setzen uns für Wohnungsbau
in jeder Großstadt ein, vergessen dabei aber das parallel dazu in Dörfern der
Lehrstand bei Wohnraum so groß ist wie sonst nirgendwo.
Wir wollen Veränderungen bei Energie, bei Tier -und Landwirtschaft, bei
Wohnraum, im ÖPNV, bei der politischen Situation in Sachsen, aber vergessen
dabei irgendwie die Hälfte der in Sachsen lebenden Menschen.
Fakt ist: Wenn wir ein lebenswertes Sachsen haben möchten, benötigen wir dazu
den ländlichen Raum. Wir als Landesverband der Grünen Jugend Sachsen setzen uns
dafür ein, dass sich Problemen im ländlichen Raum ebenso gewidmet wird, wie denen
im urbanen Raum. Wenn wir uns die Probleme im ländlichen Raum anschauen, fallen
uns folgende Punkte ins Auge:
1. Energiewende:
Windräder und Photovoltaikanlagen werden großteils im ländlichen Raum
installiert, meist mit einigem Widerstand. Solche Bauprojekte trotz
überwiegender Gegenstimmen durchzusetzen ist nicht nur undemokratisch, es stärkt
auch besonders populistische Parteien wie beispielsweise die AfD. Für eine
erfolgreiche Energiewende müssen wir die Menschen mitnehmen, nur so erreichen
wir Klimaziele und Mehrheiten. Durch z.B. direkte und vergünstigte Einspeisung
der erzeugten elektrischen Energie und Unterstützung von Vereinen, öffentlichen
Einrichtungen oder anderen Projekten in der jeweiligen Kommune durch die
Energieunternehmen, lässt sich definitiv eine breitere Akzeptanz erreichen. Dies
würde die Landflucht bekämpfen, die Kommunen stärken und die Akzeptanz für
erneuerbare Energien steigern. Somit wäre dies eine Win-Win-Win Situation für
die Energiewende, die Kommunen und uns als Grüne.
2. Perspektiven schaffen:
Auf dem Dorf ist die Infrastruktur deutlich schlechter als in einer Stadt. Auch
das Jobangebot ist bei weitem nicht so vielseitig und bietet kaum
Entwicklungsmöglichkeiten. Dies hat zur Folge, dass es zu Landflucht kommt und
Dörfer immer weiter verwaisen. Das geringere und einseitigere Jobangebot lässt
sich schlecht ernsthaft ändern. Was sich allerdings ändern lässt, ist die
Anbindung an diese Möglichkeiten. Dazu zählt einerseits ein besserer ÖPNV, aber
auch der Ausbau von Radwegen. Dies ermöglicht es außerdem Menschen mit geringem
finanziellem Spielraum kostengünstigen Wohnraum im ländlichen Raum zu nutzen und
dennoch die Arbeitsstelle in der Stadt zu behalten. Dieser Zuzug von Menschen
würde wiederum die Strukturen im ländlichen Raum aufwerten und z.B. die
Dorfkneipe oder den Dorfladen erhalten. Zudem würde durch den Zuzug der
ländliche Raum höhere Einnahmen generieren, was wiederum dem Ausbau von
Infrastruktur wie z.B. Arztpraxen, Spielplätzen oder Schulen im ländlichen Raum
zugutekommen würde.
3. Digitalisierung:
In Zeiten von Digitalisierung, Homeoffice & co. bietet der ländliche Raum
eigentlich Möglichkeiten wie nie zuvor. Es ist nicht mehr nötig aus dem eigenen
Landstrich dutzende Kilometer täglich zu pendeln oder gar umzuziehen, wenn man
heutzutage eine große Bandbreite von Berufen auch digital ausüben kann. Leider
nur eigentlich. Denn die Realität sieht ganz anders aus. Eine stabile und
ausreichende Netzanbindung geht im ländlichen Raum nur sehr schleppend voran.
Und selbst wenn dann nach Jahren endlich einmal eine Glasfaseranbindung
ausgelegt wird, wird sie meist dennoch nicht angeschlossen da die alten Verträge
für Netzanbieter wie Telekom, Vodafon und co. oftmals weitaus lukrativer sind
als neuere. Wir sagen Schluss damit! Wir fordern, wie nach dänischem Vorbild,
eine ausreichende Internetanbindung endlich zu geltenden Recht zu machen.
Netzanbieter müssen nicht nur dazu verpflichtet sein, Glasfaser auszulegen, es
muss und sollte auch eine Selbstverständlichkeit sein, dass Haushalte auch an
dieses Netz angeschlossen werden und Verträge wählen können, die eine
ausreichende Datenmenge zur Verfügung stellen und nicht auf wenige Gigabyte
begrenzt sind.
4. Da sein:
Im ländlichen Raum ist die Wählergunst für rechte Parteien besonders hoch,
obwohl diese Parteien durch z.B. eine neoliberale Wirtschaftsweise, wegfallende
Subventionen und Streichung der Gewerbesteuer, welche die Haupteinnahmequelle
der Kommunen ist, den ländlichen Raum wohl am meisten schaden würden. Wir müssen
aufzeigen, dass wir hinter dem ländlichen Raum stehen, dass wir die Sorgen und
Nöte der Menschen wahrnehmen und auch danach handeln. Wir müssen klar machen:
Wir stärken und unterstützen den ländlichen Raum!
5. Jugend einbinden:
Der ländliche Raum überaltert. Gerade in sächsischen Regionen wie dem Erzgebirge
ist der demografische Wandel so problematisch wie sonst nirgendwo. Die jungen
Menschen, die es gibt, bleiben selten und ziehen nach Leipzig, Dresden oder
anderswo. Das kann keine Lösung sein. Damit junge Menschen bleiben, muss der
ländliche Raum jungen Menschen Perspektiven bieten. Das funktioniert nur, wenn
junge Menschen Ihre Umgebung und die Zukunft Ihrer Heimat mitgestalten können.
Nur durch eine ausreichende Beteiligung von jungen Menschen an zukunftsweisenden
Entscheidungen kann dies erreicht werden. Deshalb fordern wir: Bei Kommunal -und
Kreistagswahlen ein Wahlrecht ab 14. Bei zukunftsweisenden Entscheidungen müssen
Jugendliche das Recht und die Möglichkeit haben, sich einzubringen und
mitzumischen.
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